Runterschalten!
leichter zu treffen, wie etwa zweifelhafte Fusionen abzuwickeln und Personal zu entlassen.
Und sollte einer der Manager doch mal ins Grübeln kommen, bietet das Unternehmen ihm den Kontakt mit Leidensgenossen. In Meetings oder bei Fachtagungen in luxuriösem Ambiente kann man sich austauschen und das Gewissen entlasten. Die Mitglieder dieser Gruppe beruhigen und bestätigen sich gegenseitig. So ist das eben. Wir müssen auch unangenehme Entscheidungen treffen, wir sind schlieÃlich Entscheider, moderne Krieger. Das Wir-Gefühl wird gestärkt und der Restzweifel im Alkohol ertränkt.
Krönung der Selbst-Losigkeit: das Manager-Wir-Gefühl
Und da begegnen sie uns plötzlich wieder, die Gefühle, die es doch angeblich bei den rationalen Wirtschaftsleuten gar nicht gibt. Es sind starke Gefühle, die am Ende der Norm-Karriere stehen, nämlich eine Art Familienzughörigkeit zum Manager-Stand. Allerdings sind das keine âBlutsbandeâ, die idealerweise ein Leben lang halten. Diese Art der Zugehörigkeit kann schnell erschüttert werden.
Gefühlte Arbeitswirklichkeit: gelebt werden statt leben
Unsere überzeichnete Norm-Karriere hat gezeigt, wie aus jungen, hochmotivierten Berufseinsteigern Standardprodukte werden. Wie Menschen immer mehr vereinheitlicht werden, weil Systemeffekte die Kontrolle über ihr Selbstverständnis und ihre Selbststeuerung übernehmen. Hatte der gute alte Marx, der sein eigenes Leben nie geregelt bekam, also recht? Erleben wir als Ergebnis der Industrialisierung die zunehmende Entfremdung des Menschen von sich selbst?
Ja und nein, denn das ist nur die halbe Wahrheit. Ein Nebeneffekt dieses Prozesses ist nämlich, dass wir ihn mit offenen Augen erleben. Wir haben den Teufelspakt â Zeit gegen Geld â selbst unterschrieben, und Proletarier, die keine andere Wahl haben, sind wir nicht. Wer diese Art von Normkarriere durchläuft, hat immer eine Wahl und ist schlau genug, um irgendwann zu merken, in welchem Hamsterrad er oder sie steckt. Das resultierende Gefühl, gelebt zu werden, statt selbst zu leben, wird nicht resignierend hingenommen. Es mündet in den starken Wunsch, etwas zu ändern â wenn schon nicht am groÃen Ganzen, dann zumindest im eigenen Leben.
Achtung: Gefühle!
Aber das Szenario für die Zeit vor dem Runterschalten wäre nicht komplett, würden wir hier nicht auch die weniger erfreulichen Gefühle betrachten, die unsere Arbeitswelt hervorbringt. Auf positive Gefühle verzichten wir hier, denn sie werden immer schwächer, je stärker der Wunsch zum Runterschalten wird. Die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, etwa, die paradoxen Botschaften der Arbeitswelt, das unsichere Selbstverständnis als Mann und als Frau im Beruf â alles Gefühle, die die Unstimmigkeit zwischen unserer Innen- und AuÃenwelt vergröÃern.
Wenn Gefühle als lästig abgetan werden, wird etwas gern vergessen: Gefühle stellen die Verbindung zwischen Innen und AuÃen her. Sie âinterpretierenâ ohne Kopfarbeit Beobachtungen. Bestimmt gibt es allerhand Lektionen, die aus den kleinen und groÃen Wirtschaftskrisen dieser Welt gezogen werden müssten, aber eine davon müsste heiÃen: Leute in den Chefsesseln dieser Welt, hört auf, Gefühle zu ignorieren. Nehmt eure und die Gefühle anderer wahr. Merkt endlich mal, dass Gefühle mehr als einen Nutzen haben: Zu warnen, zum Beispiel. Mancher Schlammassel könnte vermieden werden, wenn wir achtsamer mit solchen Warnsignalen umgingen.
1. Die âinnere Kündigungâ: Ohne mich, aber doch mit mir
Sie gehen ein letztes Mal in das Büro Ihres Vorgesetzten, knallen ihm ein paar Akten auf den Tisch, werden noch ein paar Verwünschungen los und verlassen dann mit einem sagenhaften Hochgefühl diese Stätte der Sklaverei, die bisher Ihr Arbeitsplatz war. Kennen Sie den Traum? Dann gehören Sie je nach Statistik zu jenen 70 Prozent der deutschen Angestellten, die längst die âinnere Kündigungâ eingereicht haben.
Wenn so viele Arbeitnehmer diese unsichtbare Kapitulationserklärung unterschrieben haben, bedeutet das, dass kaum noch jemand wirklich gern arbeitet. Es bedeutet, dass sich unglaublich viele Menschen morgens mit Widerwillen zur Arbeit schleppen, des Geldes wegen. âIch schiebe nur noch Frustâ, so beschreiben das meine Klienten, oder âich fühle mich wie in einer
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