Runterschalten!
bleiben auch jenseits der Schmerzgrenze im Unternehmen. In diesem Fall gibt es zwei Möglichkeiten.
Variante A: Inzwischen ist Martin Schmidt durch erhöhte Krankheitsanfälligkeit aufgefallen, seine Leistung lässt in der Wahrnehmung des Vorgesetzten ohnehin zu wünschen übrig. Ein Kündigungsgrund seitens des Unternehmens findet sich, Schmidt ist seine Arbeit los.
Oder Variante B: Martin Schmidt erleidet einen Zusammenbruch â Herzkreislauf oder psychisch, wieder ist er seinen Job los und nach einigen Wochen verordneter Auszeit weià er, dass er sein Leben ändern muss.
Dabei ist viel Arbeit nicht das Problem. Die meisten Menschen arbeiten gern viel, wenn sie darin einen Sinn sehen. Sinn entsteht, wie wir gesehen haben, wenn Menschen Anerkennung finden, wenn sie Einfluss nehmen können auf ihren Arbeitsbereich und ihre Zeit, und wenn sie Entwicklungsmöglichkeiten für sich sehen. Das alles ist inden âMühlenâ der GroÃkonzerne, wenn überhaupt, nur beschränkt und für eine begrenzte Zeit möglich.
Tipp
Wieso steigen wir nicht früher aus, bevor wir Schaden nehmen? Vermutlich, weil wir eine Erlaubnis brauchen. Krankheit oder Tod sind eine gute Entschuldigung. Aber auch, weil wir mehr auf die regelmäÃigen TÃV-Intervalle des Autos achten als auf die eigene Gesundheit. Verantwortung für sich und sein eigenes Leben, wo lernt man das hierzulande?
4. Angst um den Job
âWir sehen es in jedem Quartal: Die Einschläge kommen immer näher.â â Ein Kriegs-Szenario auf Büroetagen: Personal wird abgebaut, die Arbeitsplatzangst geht um. Das Prinzip âAustauschbarkeitâ übernimmt die Kontrolle. Alle wissen: Wir haben dem Arbeitgeber Arbeitsund Lebenszeit gegeben, was für diesen allerdings bestenfalls für die Höhe der Abfindung relevant ist. Angestellte, die ihre Firmentreue als Wert sehen, fallen âaus allen Wolkenâ, wenn ihnen gekündigt wird â was hat sich geändert?
Der so genannte psychologische Vertrag, der unausgesprochene und unsichtbare Erwartungsteil eines jeden Arbeitsvertrags, ist in den vergangenen Jahrzehnten von den Arbeitgebern neu formuliert worden. Bestand dieser Vertrag früher in gegenseitiger Loyalität, verbunden mit Arbeitsplatzsicherheit, so ist jetzt Flexibilität der vom Arbeitnehmer einseitig eingeforderte Wert. Wir leben schlieÃlich in Echtzeit. Die Echtzeit bringt mit der hohen Synchronisierung jene hohe Standardisierung der Lebensläufe mit sich, die wir inzwischen als Norm-Karrieren kennen gelernt haben. Dieser Variante der Gleichmacherei entkamen auch die Arbeitsverhältnisse nicht. Nicht mehr Loyalität, sondern Flexibilität wird vom einzelnen Arbeitnehmer gefordert. Das bedeutet für den Arbeitgeber, Personal je nach Auftragslage âzeitnahâ entlassen zu können.
In diesem Denkmodell hat die Verantwortung für seine Karriere einzig und allein der Berufstätige selbst. Das zum Konzept passende Schlagwort heiÃt Arbeitsmarktfähigkeit: Pass selbst darauf auf, dass du, wenn dein Arbeitgeber dich freisetzt, am Arbeitsmarkt noch gebraucht wirst. Mache Weiterbildungen, in deiner Freizeit, nach den Ãberstunden. Diese werden nach einer Umfrage des Jobportals Monster in Deutschland dem Arbeitgeber übrigens mittlerweile überwiegend ohne Gegenleistung âzur Verfügung gestelltâ.
5. Paradoxe Erwartungen
Flexibel soll der Angestellte sein, bereit, jederzeit zu gehen, aber auch bereit, jederzeit zu bleiben, dem Arbeitgeber seine Zeit zu schenken, wenn sie gebraucht wird. Denn zwischen den Zeilen moderner Arbeitsverträge wird noch eine Eigenschaft von Martin und Martina Schmidt erwartet und mit ihrer Zeit-Spende-Bereitschaft verquickt: unternehmerisch zu denken. Schmidt soll erkennen, wann es dem Unternehmen nützt, Mehrarbeit zu leisten. Keine Frage, dass das fast immer der Fall ist.
Der Verfall von Mehrarbeit von Angestellten der Hauptverwaltung eines groÃen Autokonzerns war Gegenstand einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung. Der Richter wollte herausfinden, warum so viele Ãberstunden angehäuft wurden. Der Arbeitgeber hatte sie weder angeordnet noch die Bezahlung dieser Stunden angekündigt. Ganz im Gegenteil, die Unternehmensleitung hatte auf die ersatzlose Streichung dieser Stunden mehrmals hingewiesen.
Waren Mitarbeiter, die ihren Freizeitausgleich in vollem Umfang wahrnehmen wollten,
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