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Runterschalten!

Runterschalten!

Titel: Runterschalten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Sponagel
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benachteiligt worden? Auch das war nicht erkennbar. Der Richter folgerte: „Der Beschäftigte erbringt diese Arbeitsleistung ohne Rechtsgrund.“ Und weiter: „Es mag sein, dass Mitarbeiter in Erwartung zusätzlicher Karrierechancen oder wegen der Erfolgsabhängigkeit ihrer Vergütung von der Geltendmachung ihres Freizeitausgleichs absehen. Diesen stünde aber jederzeit die Möglichkeit offen, umzudenken…“
    Aber sie denken nicht um. Woran liegt das? Vergleichen wir mal den alten psychologischen Arbeitsvertrag mit dem neuen. Das alte System forderte von jedem Mitarbeiter Teilzuständigkeiten, die mehr oder weniger klar definiert waren. Die Grenzen eines Arbeitsplatzes setzten auch Grenzen für die Zuständigkeit des Mitarbeiters. Wenn das Ganze nicht funktionierte, war das ein Problem der Unternehmensführung.
    Ganz anders im neuen psychologischen Vertrag. Überwiegend ist die Arbeit in modernen Unternehmen „prozessorientiert“, es gibt „Crossfunctional-Teams.“ Kommunikation, über Arbeitsplatzgrenzen hinaus, ist die erste Kompetenz des Mitarbeiters. Angenommen, es klemmt irgendwo, wird der moderne Mitarbeiter sich nicht als nicht zuständig erklären können. Er würde dann das Ergebnis des Teams, der Abteilung, des Unternehmens gefährden. Er wird versuchen, sich „drum zu kümmern“, auch wenn er „eigentlich“ nicht zuständig ist. Jedem einzelnen kleinen Rad im Getriebe wird Verantwortung für den Umsatz, fürs große Ganze abverlangt. Unser Herr Schmidt ist, so heißt das heute, „Teil der Wertschöpfungskette“, und daher nimmt er den entstehenden Erfüllungsdruck höchst persönlich. Die Anweisungen der Vorgesetzten sind – verglichen mit dem früheren psychologischen Vertrag – eher diffus: „Tut das, was für das Ergebnis gut ist.“ Wenn es jetzt irgendwo hakt, stellt sich sofort die Frage „Wer hat seine Prozess-Funktion nicht erfüllt?“ Vielleicht wird unser Herr Schmidt „rausgedeutet“, denn Konkurrenz unter Mitarbeitern, nicht ihre Solidarität ist ein Funktionsprinzip dieses Modells. Unternehmerische Probleme sehen aus wie das Versagen einzelner Mitarbeiter. Und wer will schon als Versager dastehen?
6. Fehlende Solidarität
    Der Druck der Gruppe auf den Einzelnen ist enorm gestiegen – und die Gruppe sind die „lieben Kollegen“. Diese indirekte Steuerung führt dazu, dass Mitarbeiter Regelungen unterlaufen, die eigentlich in ihrem Interesse sind: Ihre „verschenkte Zeit“ mit Freizeit auszugleichen, zum Beispiel. Wer das macht, wird möglicherweise zum „Kollegenschwein“ gestempelt – andere müssen „seine Arbeit“ erledigen, während er abwesend ist.
7. Sinn- und Orientierungslosigkeit
    Man investiert Lebenszeit, riskiert den Verlust privater Beziehungen und bekommt – Vagheit und Unverbindlichkeit. Individuelle Leistung wird von Vorgesetzten kaum erkannt und gefördert. Schmidt denkt unternehmerisch, identifiziert sich mit dem Unternehmen, obwohl er kein Unternehmer ist. Er übernimmt womöglich die Verantwortung, die kaskadenartig von den ihm vorgesetzten Managern angespült wird, obwohl das nicht sein Verantwortungsbereich ist. Wir erinnern uns, das System entlastet die Entscheider von Verantwortung. Der Mitarbeiter engagiert sich mit Leib und Seele, übernimmt Eigenverantwortung, indem er sich weiterbildet, bis eines Tages sein Einsatz nicht mehr gebraucht wird. Seine Loyalität ist nicht mehr gefragt und mit der seines Arbeitgebers war aufgrund des neuen psychologischen Vertrags sowieso nicht zu rechnen, aber gehofft hat er doch darauf. Das alles ergibt keinen Sinn. Sinnlosigkeit wird gefühlt.
    Von einem Moment auf den anderen ist der Mitarbeiter, der immer „vernünftig“ dachte und handelte, mit einem Cocktail von Gefühlen konfrontiert: Wut, Frustration, Existenzangst, Orientierungslosigkeit, Kontrollverlust.
    Ein Klient erzählt: „Du teilst Tag für Tag den Alltag mit den Kollegen, und zwar jahrelang. Du fängst an, sie für deine Familie zu halten. Die wissen, wann du Krach hast mit der Schwiegermutter, welche Musik du gerne hörst, und wie hoch die Raten fürs Haus sind. Und dann, von einem Tag auf den anderen, bist du draußen. Du denkst, na der und der, die werden bestimmt mal anrufen und hören, wie es dir geht. Aber nichts. Die

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