Runterschalten!
die Parasiten hat, die sie braucht â die Tatsache, dass man deutlicher auf sich selbst achtet, hat noch lange nichts mit Egomanie zu tun.
Wir haben gesehen, dass Binsenweisheiten oder Mehrheitsmeinungen im Wege stehen, wenn man runterschalten will. Da geht es natürlich ganz besonders um die Kernbotschaft der Management-Rhetorik, die Anpassung fordert statt Individualität. Wer bin ich, was will ich und was kann ich sind die elementaren Fragen beim Runterschalten â was das Unternehmen will, ist aus dieser Perspektive unwichtig.
Aber auch da gilt: Ich kenne keinen einzigen Fall von parasitärem Verhalten in Folge des Runterschaltens. Auch die hier vertretenen Beispiele zeigen, dass alle Runterschalt-Kandidaten nach wie vor einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Im Gegenteil: Ein Mensch, der mit sich im Lot ist, wird konstruktiver beitragen als jemand, der die innere Kündigung unterschrieben hat, âFrust schiebtâ, und möglicherweise vorgetäuscht oder wirklich krank wird.
Neue Trends in der Personalarbeit?
Die Frage ist allerdings, ob diese Auffassung in den Unternehmen und ihren Personalabteilungen geteilt wird und ob es dazu überhaupt Strategien und Konzepte gibt. Denn auch über Selbstverständnis und Aufgaben modernen Personalmanagements gibt es ungezählte Mythen und Vorstellungen.
Humanistische Auffassungen gehen davon aus, dass es eine Aufgabe der Personalarbeit sei, Menschen in Unternehmen zu fördern und zu entwickeln. Bei der Frage, wie diese Förderung aussieht, kommt allerdings durch die Hintertür wieder der Effizienzgedanke ins Spiel: Der Mitarbeiter soll dem Unternehmen nutzen â mit einer Steigerung seiner Leistung. Manche Wirtschaftspsychologen (G. Wiswede, 2000, S. 39) sprechen dem âHuman-Ressourcen-Ansatzâ von vornherein humanistische Absichten ab. Stattdessen ginge es dabei hauptsächlich um eine âpragmatisch-strategische Perspektive des Ausschöpfens, Ausnützens, greller: des Ausbeutensâ. Ein unfreundliches, ein marxistisches Wort, das seinen Benutzer zum unzeitgemäÃen Feind jeglicher Profitorientierung abstempelt. Aber genau in diesem Spannungsfeld bewegt sich, inklusive aller Klischees und Vorurteile, die Diskussion ums Runterschalten:
Politisch aufgeladen, wird die eine Haltung zum potenziell gesellschaftszersetzenden Motiv, die andere zum Aushängeschild des RaubKapitalismus. Es würde wohl nicht schaden, diese polemische Aufheizung auch mal etwas runterzuschalten.
Ein neuer Trend in der Personalarbeit macht in letzter Zeit von sich reden: Diversity Management, in angloamerikanischen Firmen längst etabliert, in Deutschland noch weitgehend Neuland (âCultural Diversity Management in Deutschland hinkt hinterher,â Studie der Bertelsmann Stiftung, 2007). Interessanterweise scheint dieser Ansatz dem bisherigen Vorgehen, Anpassung bis zur Selbstaufgabe zu fordern, zu widersprechen: Hier steht auf einmal die Unterschiedlichkeit des sogenannten Humankapitals im Mittelpunkt. Es geht um Verschiedenheit in fast jeder Hinsicht â Religion, Alter, Studienabschlüsse, sexuelle Orientierung, Mann-Frau-Rollen, Kultur. Diese Unterschiedlichkeit gelte es zu nutzen und als Stärke anzusehen, fordert der Ansatz. Und weiter heiÃt es in der Studie:
âIn der Folge tauchen andere Qualifikationen, Lebensformen, Bedürfnisse, Werte und Erfahrungen auf. Diese heterogene Palette schlägt auf den Arbeitsmarkt durch und ist bei der Rekrutierung und im Einsatz von Arbeitskräften zu beachten.â
Rufen die Firmenkultur-Macher da etwa nach Individuen, die auch anders denken und runterschalten wollen? Nach Menschen, die auf einer Dreiviertel-Stelle hundert Prozent leisten und pünktlich gehen? Die nicht bereit sind, einen GroÃteil ihrer Lebenszeit für Unternehmensziele zu âverkaufenâ? Wer die Idee âDiversity Managementâ konsequent weiterdenkt, käme zu diesem Schluss.
Angeblich hat sich Diversity Management in den Unternehmen, die es praktizieren, inzwischen zum âbetriebswirtschaftlichen Instrumentâgemausert â es rechnet sich. Was sich rechnet, wird sich wohl auch verbreiten â auch wenn, wie viele vermuten, der rechnerische Nutzen nur in einer Image-Politur liegt.
Aber nicht nur âDiversity Managementâ könnte â theoretisch â ein Einfallstor für eine mehr am Individuum und seinen Bedürfnissen orientierte
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