Runterschalten!
hatte ich ja immer das Gefühl, meinen Job zu vernachlässigen. Aber jetzt nehme ich mir einfach die Zeit und gönne mir das Mountainbiking oder was auch immer, ohne schlechtes Gewissen.
Wie wichtig waren finanzielle Erwägungen? Würden Sie sich als âsicherheitsbewusstenâ Menschen bezeichnen?
Finanziell war entscheidend, dass ich meine Eigentumswohnung weiter halten kann, das ist unser Refugium. Sicherheit ist mir sehr wichtig. Und ich habe es sogar geschafft, als Altersvorsorge noch eine zweite Eigentumswohnung zu kaufen, obwohl mein Einkommen jetzt geringer ist. Es war schön für mich zu sehen, dass das auch unter den neuen Bedingungen möglich war, ohne dass es mich groà belastet.
Wie fühlt sich Ihr neues Leben an?
Ich bin weniger gestresst. Ich plane bewusst längere Erholungsund Entspannungsphasen ein. Ich lehne mich bisweilen entspannt zurück, wo ich mich früher aufgeregt hätte. Ich bin nicht getrieben von anderen oder gar gehetzt.
Fehlt Ihnen etwas aus Ihrem früheren Leben:(Status, Inhalte oder Herausforderungen?
Mir fehlt nichts in dieser Richtung. Im Gegenteil, es haben sich beruflich neue Herausforderungen eingestellt, die ich aber gut bewältigen kann, zum Beispiel durch die Vertretung der Leitung hier im Hause. Persönliche Herausforderungen setze ich bewusst selbst. Inhaltlich und statusmäÃig fühle ich mich gut aufgestellt. Und dabei habe ich noch mehr Zeit für mich und die Dinge, die mir wichtig sind.
Sind Sie jetzt auch finanziell zufrieden, hat sich Ihre neue Tätigkeit als zukunftstauglich bewährt?
Ja ich bin zufrieden. Ob sich die Tätigkeit als zukunftstauglich bewährt, werden die nächsten Monate zeigen. Die Chancen dazu stehen aber gut.
Wenn Sie jetzt zurückblicken, würden Sie bestimmte Dinge in Bezug auf die Kursänderung anders machen, und wenn ja, welche?
Nein! Der Umschwung ist gut gelungen. Ich habe einen anspruchsvollen Arbeitsplatz in unmittelbarer Wohnortnähe mit guten Rahmenbedingungen.
Inwieweit brauchten Sie zum Runterschalten Ihre eigene Steuerleistung? Konnten Sie unterwegs auch mal driften?
Meine eigene Steuerleistung bestand darin, dass ich erkannt habe, dass ich für diesen Kurswechsel eine professionelle Unterstützung durch einen erfahrenen Coach brauche. Früher hätte ich mir das vielleicht nicht eingestanden, denn ich sage sonst immer: âDas packe ich, das schaffe ich allein.â
Natürlich gab es Momente, in denen ich gedriftet bin. Das gehört sicherlich dazu, wenn man neue Dinge ausprobiert und sich zu neuen Ufern aufmacht. Also nicht immer zu sagen, da istdas Ziel, da steuere ich hin, sondern durchaus auch mal Dinge in Frage zu stellen und sich Zeit dafür zu nehmen.
Was würden Sie anderen Menschen raten, die auch vorhaben, runterzuschalten?
Den einzigen Rat, den ich hier geben könnte, ist der, einfach mal über den eigenen Tellerrand zu schauen, mit oder ohne professionelle Begleitung. Jeder Weg ist umkehrbar und es ist nie zu spät für eine Richtungsänderung.
Runterschalten aus Sicht der Unternehmen
Wir haben gesehen, dass es viele Mythen und Meinungen über das Runterschalten gibt. Sie werden hauptsächlich aus zwei Quellen gespeist, die an der allgemeinen Meinungsbildung beteiligt sind: die Medien und unterschiedlichste Moden der US-amerikanischen Managementkultur, die uns über Berichte, Bestseller (âDie Mäuse-Strategie für Managerâ) und âInstrumente der Personalpolitikâerreichen. Erstere liefern nicht enden wollende Geschichten über frühere Topmanager, die neuerdings zufrieden im Wald leben. Die Botschaft heiÃt, es geht von ganz oben nach ganz unten.
âHaben Sie nicht einen Ex-Manager, der jetzt Schäfer ist,â fragte mich mal ein Journalist. Damit konnte ich nicht dienen â solche Extrembeispiele sind auch mir nur aus der Presse bekannt.
Die hier vertretenen Beispiele zeigen, dass die Realität anders aussieht. Alle, die runtergeschaltet haben, leben zwar ohne Urlaub auf den Seychellen, aber weit entfernt vom Existenzminimum.
Eine andere Annahme aus dem Reich der Sagen und Mythen ist, dass Menschen, die runterschalten, so etwas wie Blutsauger seien, die es sich âauf Kosten der Allgemeinheitâ gut gehen lassen. Die Hinwendung zum âSelbstâ wird gleichgesetzt mit einer Abwendung von der âGemeinschaftâ. Mal abgesehen davon, dass wohl jede Gesellschaft
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