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Denkapparat Gebrauch machen können. Risiken und Nebenwirkungen dabei sind, dass wir zu viel denken und Schwierigkeiten, auch den eigenen, nur noch strategisch und mechanistisch beikommen. Mit anderen Worten: Wir steuern zu viel, ohne „Fühlung“ mit uns selbst.
Diese Fühlung, der Kontakt mit den eigenen Bedürfnissen, stellte sich in Junkers Fall erst in dem Zwangsstopp Klinikaufenthalt ein. Jetzt ist er schiffbruchkompetent, mit anderen Worten, er hat „Lebenswissen“. In diesem Päckchen Wissen ist noch eine wichtige Nebenwirkung enthalten, die generell und an Führungspersönlichkeiten besonders schätzenswert ist: Wer schiffbruchkompetent ist, hat auch einen anderen Draht zu seinen Mitmenschen. Die Fühlung für sich selbst hat ein Echo in der Einfühlung für andere. Das zeigt sich vielleicht in der Art, dass man die Bedürfnisse anderer mehr respektiert, oder in der Art, dass man eher in der Lage ist, sich gegen „übergriffige Bedürfnisse anderer“ abzugrenzen, nein zu sagen. Sie sehen, so ein Schiffbruch ist eine runde Sache. Nur ein Aspekt fehlt noch für seine vollständige Würdigung:
Schiffbruch, zum Glück!
Nach seinem Zusammenbruch habe er sich die Sinnfrage gestellt, erzählt Andreas Junker. Er habe sich gefragt, ob es für ihn der Sinn des Lebens sein könne, sich für eine Idee von Karriere so fertig zu machen. Ob es denn so wichtig sei, schnell zu sein, und ob er dasselbe Ziel nicht auch langsamer und gesünder hätte erreichen können. Und überhaupt, ob es nicht wichtigere Dinge gebe im Leben, als diese Pseudo-Wichtigkeit im Job, die sowieso irgendwann endet.
Zweiundvierzig, das ist laut Douglas Adams, Autor von „Per Anhalter durch die Galaxis“ die Antwort auf die Frage nach allem und dem Sinn des Lebens. Vielleicht ist unser Leben ja wirklich ein großer Mäuseversuch, in dem wir Menschen die Labor-Tiere sind, sagt diese Antwort, absolut sinnfrei.
Menschen sind jedenfalls vermutlich die einzigen Lebewesen, die beharrlich immer wieder diese Frage stellen. Und nicht nur mit „zweiundvierzig“ darauf antworten. Es gibt unzählige Antworten auf diese Frage, es lässt sich prächtig darüber streiten. Einig scheint man sich nur zu sein, dass Sinn von uns Sinnsuchern „konstruiert“ wird. Ich knüpfe mein Sinngewebe, du deines. Neudeutsch ist ja auch unentwegt vom „Sinn machen“ die Rede, ziemlich sinnfrei übrigens, denn Sinn machen kann man nur im Englischen.
Was für mich sinnvoll ist, ist es noch lange nicht für Sie oder meine Kollegen oder Nachbarn. Ich webe mir mit Hilfe bestimmter Vorgaben, die von gesellschaftlichen bis zu familiären und eigenen Ideen reichen, mein Sinngewirk selbst. Im Leben Sinn zu finden, scheint nichts anderes zu sein, als Zusammenhänge festzustellen und sich selbst in sie einzufügen oder auch sie selbst zu gestalten. Diese Zusammenhänge, etwa zwischen meinem Berufsleben und meinem Steuerbescheid, mögen letztlich rätselhaft bleiben, und es wird mir nicht gelingen, diese letzten Merkwürdigkeiten des Lebens zu durchdringen. Aber alles zu verstehen kann ja auch nicht Ziel und Zweck unsrer Sinnknüpf-Kunst sein. Vielmehr geht es darum, das entstehende Maschenwerk beweglich und steuerbar zu halten.
Sie sehen, ich bin wieder bei der Steuerkunst gelandet. Die besteht also unter anderem darin, die Zusammenhänge zwischen den Kräften, die auf mein Boot wirken und dem, was ich daraus machen kann, so auszulegen, dass ich damit gut leben kann.
Anders gesagt: zu leben verstehen, obwohl die Antwort auf alle Fragen möglicherweise zweiundvierzig ist. Oder noch besser, weil das möglicherweise die Antwort ist. Zu leben verstehen bedeutet, in der Lage sein, die Blickrichtung zu ändern, um mit Gegebenheiten, die sich nicht ändern lassen, leben zu können.
Steuerkunst-Tipp: akzeptieren, was nicht zu ändern ist.
Alles eine Frage der Perspektive?
Dass alles eine Frage der Perspektive ist, ist ein alter Hut, ich gebe es zu. Aber Perspektivität aktiv einzusetzen, um Sinn und damit eine lebensbejahende Existenz herzustellen, ist Teil der Schiffbruch-Kompetenz und daher im Gebrauchswissen eher nicht enthalten. Ein Standard-Beispiel für den aktiven Einsatz des Blickrichtungswechsels ist der Umgang mit Stress. Jeder weiß, dass viel davon „selbst gemacht“ ist. Die Wahrnehmung von Stressgeplagten ist so fein, dass man sich von Dingen aus der Bahn werfen lässt, die andere gar nicht bemerken.
„Wieso muss eigentlich immer ich nachgeben“, fragte mich
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