Rush of Love - Erlöst: Roman (German Edition)
andere Bleibe suchen müssen. Schluss damit, dass ihr dieses Haus das restliche Jahr über kostenlos zur Verfügung stand.
»Blaire ist wieder da«, erklärte ich geradeheraus. Inzwischen hatte ich Zeit gehabt, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Mir kam es nicht länger so vor, als wäre Nan das Opfer. Als Kind vielleicht, okay, aber das galt genauso für Blaire. Nan versteifte sich, und in ihren Augen blitzte der Hass auf, der ihrem Vater hätte gelten sollen, nicht aber Blaire. »Sag nichts. Lass mich erst sprechen, oder ich begleite deinen Übernachtungskumpel persönlich aus meiner Wohnung. Hier habe ich das Sagen, Nan! Unsere Mom ist mittellos, ich unterstütze also euch beide. Und doch habe ich dich nie um etwas gebeten. Aber jetzt möchte ich dich bitten … Nein: dir befehlen, mir zuzuhören und auf meine Bedingungen einzugehen.«
Nans Wut war verraucht, und nun kam der verzogene Fratz zum Vorschein. Sie mochte es nicht, wenn man ihr sagte, was sie tun sollte. An diesem Benehmen hatte nicht nur meine Mutter Schuld. Ich hatte meinen Anteil daran. Überbehütetsein hatte Nan verdorben.
»Ich hasse sie!«, schäumte Nan.
»Ich habe gesagt, du sollst mir zuhören. Täusch dich nicht, Nan, ich bluffe nicht. Denn in diesem Fall hast du dich an etwas vergriffen, das mir unendlich wichtig war. Also hör zu und halt die Klappe.«
Sie riss entsetzt die Augen auf. So hatte ich noch nie mit ihr gesprochen, ganz sicher. Ich war sogar selbst ein wenig überrascht. Der Auslöser war der Hass in ihrer Stimme gewesen, der sich gegen Blaire richtete.
»Blaire wohnt bei Bethy. Und Woods hat ihr den alten Job wiedergegeben. In Alabama hat sie nichts und niemanden mehr. Euren gemeinsamen Vater kann man vergessen. Was sie betrifft, könnte er genauso gut tot sein. Sie ist wieder hier, um herauszufinden, wohin sie passt und was sie als Nächstes tun könnte. Das hat sie zuvor auch schon getan, aber als sie die Wahrheit erfuhr, lag ihre Welt in Trümmern, also rannte sie weg. Dass sie wieder hier ist, ist ein Wunder. Ich freue mich unendlich, dass sie zurück ist, Nan. Du hörst es vielleicht nicht gern, aber ich liebe sie. Um sicherzustellen, dass es ihr gut geht, mache ich vor nichtshalt. Und niemand, und ich meine wirklich: NIEMAND , nicht einmal meine Schwester, soll ihr das Gefühl geben, unerwünscht zu sein. Du reist bald ab. Leb meinetwegen weiter deinen unangebrachten Hass aus, wenn du magst, aber ich hoffe, dass dir eines Tages aufgeht, dass es eigentlich nur eine Person gibt, die man hassen sollte.«
Nan sank auf einen der Sessel, die sie hier draußen auf dem Balkon stehen hatte, um es sich beim Lesen bequem zu machen. Natürlich liebte ich sie auch. Mein ganzes Leben lang hatte ich sie beschützt. Es fiel mir nicht leicht, ihr zu drohen, aber sie durfte Blaire auf keinen Fall ein zweites Mal wehtun. Damit musste Schluss sein. Blaire würde mir nie eine zweite Chance geben, solange Nan ihr weiter das Leben schwer machte.
»Dann hat sie bei dir also Vorrang«, flüsterte Nan.
»Nan, das ist doch kein Wettbewerb. Hör auf, so zu tun, als wäre es einer. Du hast den Vater. Sie hat ihn verloren. Du hast gewonnen. Jetzt gib endlich Ruhe.«
Nan hob die Augen, und an ihren Wimpern hingen Tränen. »Sie hat dich dazu gebracht, mich zu hassen!«
Immer diese Dramen! Im Geiste lebte Nan in einer Seifenoper. »Nan, jetzt hör mir mal zu. Ich liebe dich. Du bist meine kleine Schwester. Daran gibt’s nichts zu rütteln. Aber ich bin in Blaire verliebt. Das mag dir ein Dorn im Auge sein, aber, Baby, es wird Zeit, dass du diese Daddy-Geschichte ad acta legst. Immerhin hast du ihn nun seit drei Jahren zurück. Ich möchte, dass du den Rest hinter dir lässt.«
»Wie heißt es so schön: Familie zuerst?«, krächzte sie.
»Kein Thema. Du und ich, wir wissen doch, dass du mir mein ganzes Leben lang am wichtigsten warst. Wenn du mich gebraucht hast, war ich da. Aber jetzt sind wir erwachsen, Nan.«
Sie wischte sich die Tränen weg und stand wieder auf. Es war immer schwer zu sagen, ob ihre Tränen echt waren. Sie konnte sie auf Knopfdruck fließen und ebenso wieder versiegen lassen. »Schön. Vielleicht gehe ich schon früher zum College zurück. Du willst mich hier ja sowieso nicht. Du hast dich für sie entschieden.«
»Nan, ich habe dich immer gern um mich. Diesmal aber möchte ich, dass du dich von deiner besten Seite zeigst. Denk doch abwechslungshalber mal an andere. Dass du ein Herz hast, weiß
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