Rush of Love - Erlöst: Roman (German Edition)
Leere lief.
Schweigend gingen wir die Treppe hinunter. Sobald wir auf den Bürgersteig traten, wandte ich mich an Grant. »Hast du mich einfach nur vermisst, oder möchtest du mir etwas Bestimmtes sagen?«, fragte ich.
Grant grinste. »Ich habe dich vermisst. Und ich musste Rushs Leidensmiene ertragen. Du kannst mir glauben – ich habe dich höllisch vermisst!«
Er hatte scherzen wollen. Doch wenn ich mir einen Rush vorstellte, der litt, konnte ich nicht lächeln. Da kamen alle Erinnerungen wieder hoch. »Sorry«, murmelte ich. Ich war mir nicht sicher, was ich sonst dazu sagen sollte.
»Bin einfach froh, dass du zurück bist.«
Ich wartete, denn ich spürte, dass er noch etwas loswerden wollte. Er nahm sich Zeit, und ich dachte mir, dass er sich überlegte, wie er es am besten sagte.
»Was geschehen ist, tut mir leid. Wie es geschehen ist. Ja, und Nan, die kommt manchmal wie die weltweit verwöhnteste Göre rüber. Aber sie hatte eine verkorkste Kindheit. Und die hat sie geprägt. Wenn du mit Georgianna als Mutter groß geworden wärst, dann könntest du das verstehen. Rush war ein Junge, daher hat’s ihn nicht so schlimm erwischt. Aber Nan, verdammt, ihr Leben war richtig scheiße. Ich will sie nicht entschuldigen, ich will nur versuchen, es zu erklären.«
Ich antwortete nicht. Dazu hatte ich nichts zu sagen. Wenn ich mit jemandem keinerlei Mitleid hatte, dann mit ihr. Die Männer in ihrem Leben offenbar schon. Das musste sich gut anfühlen.
»Trotz alledem war das, was sie getan hat, nicht richtig. Und wie es vor dir geheim gehalten wurde, total beschissen. Tut mir leid, dass ich geschwiegen habe, aber ehrlich gesagt, hatte ich bis zu dem Abend, als Rush wegen der Schnecken austickte, die dir Laney über die Klamotten gekippt hatte, nicht mal mitbekommen, dass was zwischen euch lief! Mir war schon aufgefallen, dass er sich zu dir hingezogen fühlte, aber wer tat das nicht? Ich hatte gedacht, wegen seiner Loyalität zu Nan und, na ja, wegen dem, was du für beide warst, würde er die rühmliche Ausnahme darstellen, die sich nicht an dich ranzumachen versuchte.« Grant blieb stehen und drehte sich zu mir.
»So habe ich ihn noch nie erlebt. Noch niemals. Es ist, als wäre er nicht richtig vorhanden. Ich dringe nicht zu ihm durch. Er lächelt nicht. Er tut nicht mal mehr so, als würde er das Leben genießen. Seit deinem Verschwinden ist er anders. Auch wenn er nicht ehrlich war und es so aussieht, als hätte er Nan nur beschützen wollen … Ihr beide hattet einfach nicht genug Zeit. Für Nan ist er schon von Kindheit an verantwortlich. Das ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Dann bist du in seiner Welt aufgetaucht und hast sie offensichtlich über Nacht aus den Angeln gehoben. Hätte er mehr Zeit gehabt, dann hätte er’s dir erzählt. Das weiß ich hundertprozentig. Aber er hat es nun mal nicht. Was für ein Dilemma! Er verliebt sich in genau das Mädchen, das in seinen Augen immer der Grund gewesen war, warum seine Schwester keinen Vater hatte. Immerhin hat er ja schon ansatzweise sein Weltbild umgestellt, aber das dauert eben seine Zeit.«
Ich starrte ihn an. Nicht, weil ich anderer Meinung war. Ich hatte das alles im Geiste ja schon x-mal durchgekaut. Ich verstand, was er sagte. Das Problem war nur … es änderte nichts. Selbst wenn mir Rush alles erzählt hätte, wären er und Nan immer noch die gewesen, die sie waren. Während sie in ihren schicken Häusern gewohnt hatten und von einem gesellschaftlichen Ereignis zum nächsten gezogen waren, waren die letzten drei Jahre auf dieser Erde für meine Mutter die Hölle gewesen. Und worüber ich nie hinwegkommen würde, war, dass Rush & Co. ihre ganzen Lügenmärchen tatsächlich für wahr hielten.
»Scheiße noch mal, vermutlich rede ich mich um Kopf und Kragen. Dabei wollte ich eigentlich nur mit dir reden und dich wissen lassen, dass Rush … dass er dich braucht. Es tut ihm leid. Und ich glaube nicht, dass er je über dich hinwegkommt. Wenn er morgen mit dir darüber reden möchte, dann höre ihm wenigstens zu.«
»Ich habe ihm verziehen, Grant. Nur: Ich kann nicht vergessen. Was wir waren oder worauf auch immer wir zusteuerten – das ist vorbei. Für immer und ewig. Alles andere geht einfach nicht. Das erlaubt mir mein Herz nicht. Aber ich werde ihm immer zuhören. Schließlich liegt mir an ihm.«
Grant seufzte tief. »Na ja, das ist schon mal besser als gar nichts, schätze ich.«
Das war alles, was ich anbieten konnte.
A ls Blaire
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