Rushdie, Salman

des
nun folgenden Großangriffs. Die Insultana winkte gebieterisch mit der Hand,
die Starre löste sich, und es kam wieder Bewegung ins Respektorat. Gleich
darauf sah Luka die Otter durch die Straßen der Stadt flattern und flitzen und
die verzauberten Papierflugzeuge abschießen, die mit einem Rattensuchradar
ausgestattet zu sein schienen, denn sie folgten den Ratten drinnen wie
draußen, bis unter die Betten und auf die Dächer. Und es dauerte nicht lange,
da zeigte das Manöver erste Wirkung: Die Ratten ergriffen die Flucht. Auch
Betelsaft, Eier und vergammeltes Gemüse waren durchaus wirksame Beleidigungen
gewesen, doch das Juckpulver verletzte nicht nur die Gefühle der Ratten,
ruinierte nicht bloß ihre Kleider und ließ sie schlimmer stinken als zuvor.
Luka sah, wie selbst die oberfiesen Riesenratten, die schwerbewaffneten,
spiegelglasbebrillten, superekligen Respekto-Ratten im Kreis liefen und aus
Leibeskräften schrien, während sie von Papierflugzeugen gejagt wurden, die
ihnen Juckpulver auf den Kopf und in den Nacken streuten. Er sah, wie sie sich
wütend mit ihren langen Klauen beharkten und in dem Versuch, den Juckreiz zu
stoppen, mächtige Fetzen aus dem eigenen Leib rissen. Rattengekreisch erfüllte
die Luft, wurde lauter und lauter und schließlich so laut, dass Luka sich die
Ohren zuhalten musste, da es kaum noch auszuhalten war.
    «Wenn das
Pulver das ist, wofür ich es halte», sagte Nobodaddy schließlich erstaunt,
«wenn es sich wirklich so zusammensetzt, wie ich vermute, nämlich aus der
tödlichen Khujli-Pflanze Asiens, zweifellos vermischt mit einem Pulver, das aus
dem Samen der in Alifbay heimischen, stark riechenden, doch höchst seltenen
Gudgudi-Blume gewonnen wird ... und falls die Insultana noch etwas vom
ekelhaften Igittknochen oder der aus Deutschland stammenden Zauberjuckbohne
hinzugefügt hat, Sporen von der dämonischen Abraxas aus Ägypten, Kachukachu aus
Peru und Whirligigs aus dem tödlichen afrikanischen Pipipi, dann könnte es
durchaus sein, dass wir das Ende der Rattenpest in dieser magischen Welt erleben.
Interessant an der Rezeptur, die meiner Meinung nach von der Insultana
verwendet wurde, ist zudem, dass gewöhnliche Menschen immun gegen dieses
okkulte Pulver sind, da es ausschließlich Nagetiere angreift. Gewiss, sie hat
uns gebeten, im Haus Schutz zu suchen, aber das vermutlich wegen Bär und Hund;
außerdem, denke ich, um uns vor den Ratten in ihrem letzten Todestaumel zu
schützen.»
    Die Ratten
waren tatsächlich von allen guten Geistern verlassen. Durch das Fenster der
grauen Bäckerei wurde Luka Zeuge ihres sich rapide ausbreitenden Wahns und
ihrer letzten Zuckungen. Die dünnhäutigen Herren des Respektorats kratzten sich
buchstäblich in Stücke und rissen sich in Fetzen, bis nichts übrig blieb außer
räudigen Felllappen und grauen, hässlichen Fleischklumpen. Das Gequieke
schwoll zu einem grässlichen Crescendo an, bis es draußen dann schließlich
wieder ruhiger wurde und Stille sich herabsenkte. Gegen Ende sah Luka die
Oberratte höchstpersönlich die Straße zum Zeitfluss hinunterrasen, sah, wie
sie im Laufen auf sich einhieb und zum Schluss mit einem entsetzlichen Schrei
in den Fluss sprang, wo sie als der wohl einzige Rattenmann in der Welt der
Magie, der nicht schwimmen konnte - weil er stets zu verwöhnt und faul gewesen war,
es zu lernen -, schließlich ertrank.
    Und das
war's.
    Nach und
nach kamen die nichträttischen Bewohner des Respektorats aus ihren Häusern,
begriffen, dass ihre Qual vorüber war, rannten voller Glück zu der Grenze, die
das Respektorat vom übrigen Reich der Magie trennte, rissen Zäune und
Stacheldraht ein und zerstörten für immer die Reste ihrer Gefängnismauern. Und
falls irgendwelche Ratten den Großen Juckangriff überlebt hatten, wurden sie
doch nie wieder gesehen, da sie sich in die dunklen Spalten und Putzen dieser
Welt verkrochen, wohin Ratten ja auch gehören.
    Soraya von
Ott landete gerade mit ihrem grüngoldenen Teppich vor der grauen Bäckerei, als
Luka und seine Gefährten aus dem Haus kamen. «Luka Khalifa», sagte sie, und
Luka wagte nicht einmal zu fragen, woher sie seinen Namen kannte, «du hast der
Welt der Magie einen großen Dienst erwiesen. Willst du mich zum Dank nicht um
etwas bitten? Schließlich hast du meinen Namen erraten, allein dadurch stünden
dir traditionsgemäß drei Wünsche offen, von denen du erst einen verbraucht
hast. Und wer wollte schon sagen, wie eine gerechte Belohnung für die Idee