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Rushdie, Salman

Rushdie, Salman

Titel: Rushdie, Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luka und das Lebensfeuer
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von
seiner eigenen militärischen Erfahrung und dem Sieg über die Armee Seiner
Kaiserlichen Hoheit zur Zeit der Großen Spielplatzkriege. Soraya schien an
seinen Lippen zu hängen, und kaum war er fertig, stieß sie beeindruckt einen
leisen Pfiff aus.
    «Juckpulverbomben»,
sagte sie wie zu sich selbst. «Warum sind wir da nicht selber darauf gekommen?
Das könnte klappen. Ratten hassen jeden Juckreiz! Das müsste klappen. Ja, das wird klappen!»
Erstaunt und insgeheim durchaus erfreut, ließ Luka es geschehen, dass sie sich
vorbeugte und ihn dreimal küsste, auf die linke, auf die rechte und dann wieder
auf die linke Wange. «Danke», sagte sie. «Du bist ein Mann, der Wort hält.»
     
    Vom
fliegenden Teppich König Salomons erzählte man sich, dass eine beliebige Anzahl
von Menschen auf ihm Platz fand, ganz gleich, wie groß diese Anzahl war, dass
er zudem jede Last tragen konnte, ganz gleich, wie schwer sie war, und sich zu
wahrlich ungeheurer Größe auszudehnen vermochte, bis an die hundert Kilometer
lang und hundert Kilometer breit. Sehnte man sich nach Schatten, versammelte
sich darüber ein Schwärm Vögel zu einer Art Sonnenschirm, und der Wind blies
den Teppich, wohin er wollte, schnell wie ein Augenzwinkern. Eigentlich waren
das nur Geschichten, doch was Luka als Nächstes sah, das sah er mit eigenen
Augen: Die Insultana Soraya breitete die Arme aus, und auf ihren Befehl kam
ein Wind auf. Dann verschwand sie einfach, erschien aber keine neunzig
Sekunden später wieder, nur war der Teppich jetzt viel größer und buchstäblich
mit mehreren tausend Papierflugzeugen bedeckt. Es ließ sich nicht leugnen, dass
die Herrscherin von Ott es gewohnt war, ziemlich viel in ziemlich kurzer Zeit
erledigt zu bekommen. Nur Sekunden nach ihrem Wiederauftauchen starteten die
Papierflugzeuge und teilten sich auf sämtliche Mitglieder ihrer persönlichen
Luftwaffe auf, die jedenfalls, soweit Luka sehen konnte, noch ebenso in der
Zeit erstarrt waren wie alles andere auch. In der sichtbaren Welt bewegten
sich allein die Insultana, er selbst und die Armada der Papierflugzeuge - und
natürlich der grüngoldene Teppich König Salomons, der, kaum hatte er sich
seiner Last entledigt, wieder auf die Größe eines Wohnzimmerteppichs
schrumpfte.
    «Wie hast
du das gemacht?», fragte Luka und fügte gleich hinzu: «Ist ja auch egal», da er
die Antwort bereits kannte, ehe sie ihm gegeben wurde. «Ich weiß. Ein Vzsze,
und die Juckpulverbomben wurden im Supertempo von Mzszes hergestellt, von
Maschinen-zu-schwierig-zum-Erklären.»
    «Ich
möchte wetten», sagte die Insultana, «dass du das nicht in der Schule gelernt
hast.»
     
    *
     
    Es gibt
vieles, was bei Ratten einen Juckreiz auslöst, und kein Unbehagen ist größer
als das einer Ratte, die von Juckreiz befallen wird. Ratten haben Parasiten -
Läuse, Milben, Flöhe -, diese winzigen Krabbeltiere legen Eier an ihre
Haarwurzeln, und das juckt. Ratten führen ein raues Leben an schmutzigen Orten,
sie schneiden sich, die Schnittwunden entzünden sich, und das juckt. Ratten
fallen die Haare aus, auch dann juckt die Haut. Ihre Haut trocknet aus, sie
leiden unter Schuppen, und das juckt. Ratten fressen jede Art von Abfall, also
leiden sie an Lebensmittelallergien und essen zu viel von dem einen, zu wenig
von dem anderen, und auch deshalb müssen sie sich wie verrückt kratzen. Ratten
leiden unter Ekzemen, unter Schuppenflechte, sie kriegen Schorf oder Hautausschläge,
und sie können sich beim Kratzen nicht zurückhalten, selbst wenn dadurch alles
nur noch schlimmer wird. Was sich allgemein über Ratten sagen lässt, galt aber
in verstärktem Maße für die Riesenratten des Respektorats. Mochte es die Respektorats-Nager
in der Vergangenheit auch noch so sehr gejuckt haben - einen solchen Juckreiz,
wie ihn nun die Otterkönigin und ihre Luftwaffe auslösten, hatten sie noch nie
verspürt.
    «Geh mit
deinen Freunden ins Haus», wies ihn die Insultana an, «ehe ich die Zeitstarre
aufhebe. Warte dort, bis ich dir sage, dass die Luft rein ist und du wieder herauskommen
kannst.» Luka fiel auf, dass sich ihr Ton verändert hatte, jeder noch so leise
Anklang von Schärfe war daraus verschwunden. Eigentlich klang sie sogar freundlich,
fast liebevoll.
    Luka tat,
wie ihn die Insultana geheißen hatte, scheuchte seine kleine Schar in die
graue Bäckerei und sah deshalb, während er sich mit Hund, Bär und Nobodaddy
die Nase an der Fensterscheibe platt drückte, nur einen kleinen Ausschnitt

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