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Rushdie, Salman

Rushdie, Salman

Titel: Rushdie, Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luka und das Lebensfeuer
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Angriff der Otter hatte eine Art Höhepunkt erreicht,
und Luka verlor seine Leben fast schneller, als er zählen konnte. Den
Respekto-Ratten auszuweichen war auch nicht gerade einfach, denn obwohl die ihn
gar nicht beachteten, wurde er immer wieder von ihren Panzerfahrzeugen und
Motorrädern niedergemäht. Allerdings war nicht zu übersehen, dass die Oberratte
die einzige Ratte war, die Luka im Auge behielt, als ob sie sich aus persönlichen
Gründen für den Reisenden interessierte; und die wenigen Male, die es Luka
gelang, dem Leben fressenden Regen und den Respekto-Ratten zu entwischen,
knallte ihn unweigerlich die Oberratte ab. Sooft er aber von einem Panzerwagen
überrollt, aus der Luft bombardiert oder von der Oberratte niedergemäht wurde,
die er sich unwillkürlich stets als Rattenschiet aus der Schule in einem
echten Rattenleib vorstellte, verlor er ein Leben und befand sich wieder am
Anfang, sodass er eigentlich nicht vorankam, jede Menge Leben verlor und binnen
kurzer Zeit von Kopf bis Fuß mit faulen Eiern, Tomaten und Betelsaft
verschmiert war. Nach einer langen, langen, frustrierenden Zeit ruhte er sich
ein wenig unter der Markise der Bäckerei aus, klatschnass, stinkend und
atemlos. Er hatte noch sechshundertsechzehn Leben und beklagte sich bei
Nobodaddy: «Das ist zu schwierig. Und überhaupt, warum sind diese Otter
eigentlich so aggressiv? Können sie nicht einfach leben und leben lassen?»
    «Das
könnten sie vielleicht», erwiderte Nobodaddy, «wenn sich das Respektorat nicht
so schnell ausbreiten würde. Diese widerwärtigen Respekto-Ratten streifen weit
außerhalb ihrer Grenzen herum und versuchen, jedermann gleichzuschalten,
weshalb für die gesamte magische Welt die Gefahr besteht, an einem Übermaß an
Respekt zu ersticken, wenn das so weitergeht.»
    «Mag
sein», keuchte Luka, «aber wenn man selbst ihren Angriffen ausgesetzt ist,
fällt es, ehrlich gesagt, schwer, Mitgefühl für sie aufzubringen. Sehen Sie
sich doch bloß an, in welcher Verfassung Hund und Bär sind. Ich fürchte, im
Moment werden sie nicht allzu viel Sympathie für die Otter aufbringen.»
    «Manchmal»,
sinnierte Nobodaddy, als dächte er nur laut, «besteht die Lösung darin, zum
Problem hin- und nicht davor fortzulaufen.»
    «Ich
versuche ja, zum...», begann Luka, hielt dann aber inne. «Oh», sagte er. «Ich
verstehe. Also nicht zur goldenen Kugel. Das ist gar nicht das Problem,
stimmt's?»
    «Im Moment
nicht», gab Nobodaddy ihm recht.
    Blinzelnd
blickte Luka nach oben, und da war sie, die Insultana, Märchenkönigin der
Otter, Herrscherin der Lüfte, und ritt auf König Salomons Teppich. Sie sah aus,
als wäre sie fünfzehn oder sechzehn, war aber, wie so viele magische Wesen,
vermutlich mehrere tausend Jahre älter. «Wie sie wohl heißt?», fragte er sich
laut.
    Nobodaddy
schaute so zufrieden drein wie Raschid Khalifa, wenn Luka seine Matheaufgaben
richtig gelöst hatte. «Ganz genau», sagte er. «Wer den Namen kennt, der hat
Macht über magische Geschöpfe! Kennst du Insultanas Namen, kannst du sie
rufen, und sie muss zu dir kommen. Leider kennt man sie unter vielen Dutzend
verschiedener Namen, und vermutlich ist keiner der richtige. Ich kann dir nur
raten: Halt deinen eigenen Namen geheim! Denn wer weiß, was dir widerfahren
könnte, wenn man in der magischen Welt deinen wahren Namen kennt.»
    «Wissen
Sie denn, wie sie heißt?», fragte Luka ungeduldig. «Oder reden Sie noch endlos
lange weiter, nur um zu vertuschen, dass Sie es auch nicht wissen?»
    «Autsch,
das saß», erwiderte Nobodaddy gelassen und fächelte sich mit seinem Hut Luft
zu. «Hast du eine scharfe Zunge! Gäbst bestimmt einen prima Otter ab. Ehrlich
gesagt», fuhr er hastig fort, als er sah, wie Luka wieder den Mund öffnete,
«habe ich die mögliche Auswahl stark eingegrenzt. Nach reiflichem Nachdenken
und Analysieren sind ein halbes Dutzend Namen übrig geblieben, die sechs
besten. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass einer von denen der richtige
ist.»
    «Ziemlich
sicher klingt nicht besonders überzeugend», sagte Luka.
    «Ich hatte
schließlich noch keine Gelegenheit, sie auszuprobieren», antwortete Nobodaddy
ein wenig ungehalten. «Aber warum versuchst du nicht dein Glück, und wir
klären die Sache ein für alle Mal?»
    Und so
rief Luka laut die Namen, die Nobodaddy ihm einen nach dem anderen nannte.
«Bilqis! Makeda! Saba! Kandaka! Nicaula!» Die Frau auf dem fliegenden Teppich
ignorierte sie alle. Betrübt schlug Nobodaddy noch

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