Rushdie, Salman
Geruch von
Sippenmitgliedern und Freunden etwa und natürlich auch der süße Duft der
Heimat. «Gehen wir in den Tiefflug», sagte der Elefantenerpel, und der fliegende
Teppich, der sich wieder zu etwas geräumigerer Größe ausgebreitet hatte, flog
hinab zum Labyrinth der Wasserwege. Die beiden Elefantenvögel standen am
vorderen Teppichrand und reckten die Rüssel, die nur am oberen Ende nach unten
gebogen waren. Luka sah den Rüsselspitzen zu, wie sie ganz synchron nach links
zuckten, nach rechts und wieder nach links. Sieht so aus, dachte er, als
tanzten sie miteinander. Aber konnten die Elefantenvögel tatsächlich den
Zeitfluss erschnuppern, wenn er von so vielen anderen Wasserläufen und gewiss
ebenso vielen verwirrenden, wässrigen Duftnoten umgeben war?
Während
die Rüssel der Elefantenvögel tanzten, waren auch ihre Ohren eifrig
beschäftigt, standen stocksteif vom Kopf ab und lauschten auf das Wispern des
Flusses. Wenn Wasser fließt, ist es niemals stumm. Bäche gluckern und
glucksen, Flüsse brausen und sprudeln, und ein breiter, langsamer Strom hat gar
noch gewichtigere, komplexere Dinge zu sagen. Große Flüsse reden in tiefen
Tönen, zu tief, um für menschliche Ohren oder sogar für Hundeohren
verständlich zu sein; und kein Fluss erzählt seine Geschichten mit so niedriger
Frequenz wie der Zeitfluss, weshalb nur Elefantenohren seine Gesänge hören
können. Die Augen der Elefantenvögel waren geschlossen, denn Elefantenaugen
sind klein, man sieht damit nicht sehr weit, weshalb die Sicht bei der Suche
nach dem Fluss auch keine Hilfe sein konnte.
Die Zeit
verging. In weiten Suchbewegungen flog der Teppich von einer auf die andere
Seite, und im Westen ging allmählich die Sonne unter. Alle hatten Hunger und
Durst, bis Sorayas magische Eichentruhe ihnen eine stattliche Auswahl leckerer
Kleinigkeiten und Getränke servierte. «Wir können von Glück sagen», dachte
Luka, «dass Elefantenvögel eher einen Spatzenappetit als einen Elefantenhunger
haben, denn Elefanten fressen immerzu und könnten vielleicht sogar diese
Wundertruhe leer futtern.»
Die langen
Schatten des späten Nachmittags fielen über das weite Land. Von den
Elefantenvögeln war kein Wort zu hören. Mit dem Licht schwand in Luka auch die
Zuversicht. Vielleicht würde ihr Abenteuer hier enden und all seine Hoffnungen
in einem Gewirr von Wasserwegen versickern. Doch vielleicht ... «Hier
entlang!», rief die Elefantenente, und der Elefantenerpel bestätigte: «Keine
Frage, hier entlang. Noch etwa fünf Kilometer.»
Luka rannte
nach vorn und drängte sich zwischen die beiden Vögel. Sie hatten die Rüssel
jetzt schnurgerade ausgestreckt und wiesen den Weg. Immer schneller und tiefer
flog der Teppich über die Irrwege dahin. Bäume, Gebüsch und Wasserläufe
huschten unter ihnen vorbei. Plötzlich aber rief die Elefantenente: «Stopp!»,
und sie hatten ihr Ziel erreicht.
Da es
bereits fast dunkel war, konnte Luka nicht erkennen, was gerade an diesem
Flusslauf so Besonderes sein sollte, doch hoffte er inständig, dass die
Gedächtnisvögel sich nicht irrten. «Ab nach unten», sagte der Elefantenerpel.
«Um ganz sicher zu sein, müssen wir ihn berühren.» Der Teppich flog tiefer und
tiefer hinab, bis er unmittelbar über dem Wasser schwebte, dann tunkte die
Elefantenente kurz ihren Rüssel in den Fluss und hob triumphierend den Kopf.
«Das ist er!», rief sie, und mit einem seligen Aufschrei sprangen beide
Elefantenvögel vom fliegenden Teppich in den wiederentdeckten Zeitfluss.
«Daheim!», riefen sie. «Keine Frage! Hier sind wir richtig!» Ausgelassen
spritzten sie sich gegenseitig mit einem mächtigen Strahl Flusswasser nass,
rissen sich aber gleich wieder zusammen, denn der Zeitfluss verdiente es, mit
Respekt behandelt zu werden. Er war kein Spielzeug. «Wir sind uns sicher»,
sagte der Elefantenerpel. «Hundert Prozent.» Er verbeugte sich leicht. Bär der
Hund, der sich selbst einiges auf seine Nase zugutehielt, war beeindruckt,
schämte sich vielleicht aber auch, dass nicht er es gewesen war, der den Weg
gefunden hatte, und sagte deshalb kein Wort. Auch Hund der Bär staunte, etwas
peinlich berührt, versäumte es aber ebenso wie Nobodaddy, der in Gedanken
versunken schien, den Gedächtnisvögeln zu gratulieren. «Herzlichen Dank der
Dame, dem Jungen, allen normalnasigen Tieren und dem merkwürdigen, übernatürlichen
und, ehrlich gesagt, auch etwas gruseligen Geschöpf», sagte der Elefantenerpel
ein wenig spitz. «Euch allen
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