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Rushdie, Salman

Rushdie, Salman

Titel: Rushdie, Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luka und das Lebensfeuer
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in See stechen, keine Männer mehr aus Liebe sterben, weshalb ihnen
nichts anderes übrig bleibt, als um eine lausige Krone zu kämpfen, um einen
Titel, der keinerlei Bedeutung hat: Die Schönste aller Schönen.»
    «Aber das
bist du doch selbst - du bist die Schönste aller Schönen», wollte Luka sagen.
«Sieh doch, wie dein rotes Haar im Wind flattert, wie vollkommen deine Augen
sind, dein Gesicht. Mir gefällt es sogar, wenn du Leute beschimpfst, aber ich
mag es gar nicht, wenn du traurig bist.» Leider war er zu schüchtern, etwas
derart Peinliches zu sagen, doch da brandete ein so großer Jubel auf, der
lauter und immer lauter wurde, dass Soraya sowieso kein Wort mehr gehört hätte.
    Noch vor
wenigen Tagen wäre Luka maßlos erstaunt über all die fantastischen Kreaturen
aus Sagen und Legenden gewesen, die sich im Pavillon versammelt hatten, doch
jetzt hatte er schon fast damit gerechnet. «Oh, sieh mal, da sind Faune - Faune
mit Hörnern, Bocksohren und Bockshufen -, und da stampfen stolze Zentauren mit
ihren Hufen auf», dachte er und fand es selbst überraschend, wie wenig ihn die
Welt der Magie noch überraschte. Und Menschen mit Flügeln: Sollten das etwa Engel sein -
Engel, die Frauen beim Kämpfen zusahen? Irgendwie kam ihm das nicht richtig
vor. Bei den übrigen Schlachtenbummlern handelte es sich offenbar um die
Untergebenen der diversen Götter, ihre Diener, Kinder und Haustiere, die sich
hier einen schönen Vormittag machten.
    In diesem
Augenblick schied die erste Göttin aus dem Wettbewerb aus. Hals über Kopf flog
sie durch die Luft, direkt über Luka hinweg, schrie nach Rache und verwandelte
sich im Vorbeiflug aus einer blassgepuderten Geisha-Schönheit in eine
grässliche, langzahnige Vettel und gleich darauf wieder zurück in eine Geisha.
Dann krachte sie durch die Pendeltür der Kampfarena nach draußen und war
verschwunden. «Wenn ich mich nicht täusche, war das die japanische rasetsu Kishimojin»,
sagte Nobodaddy im Ton eines wahren Connaisseurs. (Es hatte seine Laune
merklich gebessert, Zuschauer beim Wettstreit kämpfender Göttinnen zu sein.)
«Eine rasetsu ist eher Dämonin als Göttin, wie
ihre Verwandlung gerade ja auch verriet. Eigentlich ist das hier nicht ganz
ihre Liga, weshalb wohl damit zu rechnen war, dass sie als Erste rausflog.»
    Während
Kishimojin sich vom Pavillon entfernte, konnte Luka noch immer ihre schrille
Stimme hören: «Mögen eure Köpfe siebenfach zersplittern wie die Blüte des
Basilikums.»
    «Der
sogenannte Arjaka-Fluch», erklärte Nobodaddy. «Verheerend in der realen Welt,
aber jämmerlich unwirksam gegen ihre formidablen Gegnerinnen.»
    Vom Kampf
selbst konnte Luka nicht viel sehen, weil er selbst zu klein war, und er mochte
keinen seiner Gefährten bitten, ihn hochzuheben. Immerhin sah er die Blitze,
die über die Köpfe der Menge hinweggeschleudert wurden, und hörte laute
Explosionen, die das ganze Gebäude erschütterten. Riesige Schmetterlingswolken
und Vogelschwärme, die offenbar ebenfalls miteinander im Wettstreit lagen,
schwebten im Raum. «Es gibt da noch ein kleines Nebengefecht zwischen Mylitta,
der Mondgöttin des alten Sumer, und der aztekischen Vampirkönigin
Xochiquetzal», berichtete Nobodaddy. «Denen passt es nicht, dass sie beide
Vögel und Schmetterlinge im Gefolge haben - Schönheitsgöttinnen wollen immer
einzigartig sein! -, also fallen sie übereinander her, und ihre Flatterfreunde
tun es ihnen gleich. Gewöhnlich schlagen sich die beiden Damen gegenseitig k.o.
und überlassen das Feld dann den echten Favoritinnen.»
    Die
römische Liebesgöttin Venus musste schon früh aufgeben und heftete sich,
während sie aus der Arena taumelte, die abgehackten Arme wieder an. «Hier im
Herzen der Magie stehen die Römer in der Rangordnung nicht besonders weit
oben», brüllte ihm Nobodaddy über den Lärm hinweg zu. «Zum einen sind sie
heimatlos, weil ihre Anhänger sich für sie nie einen Olymp oder eine Art Walhalla
erdacht haben, weshalb sie ziemlich ziellos durch die Gegend stromern und fast
ein bisschen wie Obdachlose aussehen. Zum anderen weiß doch jeder, dass sie
nur Imitationen der Griechen sind, und wer will im Kino schon zweitklassige
Remakes sehen, wenn er die Originale umsonst haben kann?»
    Luka
schrie zurück, er habe nicht gewusst, dass es unter den Göttern eine
Hackordnung gebe. «Und wer steht ganz oben?», rief er. «Aus welchem Land
stammen denn die wichtigsten Götter?»
    «Ich kann
dir sagen, wer die hochnäsigsten

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