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Rushdie, Salman

Rushdie, Salman

Titel: Rushdie, Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luka und das Lebensfeuer
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sind», brüllte Nobodaddy. «Die Ägypter, keine
Frage. Ihre Lady Hathor hat diese Kämpfe schon oft für sich entschieden.»
    Diesmal
jedoch war es die griechisch-zypriotische Aphrodite, die als letzte Göttin
übrig blieb. Nachdem sich Ishtar aus Babylon und Freya, die Königin der
Walküren, in einer Schlammschlacht gegenseitig bewusstlos geprügelt hatten,
beging die bei den Buchmachern als Favoritin gehandelte, kuhohrige Hathor -
eine Gestaltwandlerin wie Jaldi und deren Schwestern, nur weit mächtiger, da
sie auch zu Wolken oder Steinen werden konnte - den Fehler, sich für einen
Moment in einen Feigenbaum zu verwandeln, was es Aphrodite erlaubte, sie zu
fällen. Am Ende der Kämpfe war es daher Aphrodite, die zum ultimativen
Schiedsrichter über die weibliche Schönheit, dem großen Spiegel, ging, um die
berühmte Frage «Spieglein, Spieglein an der Wand» zu
stellen, und es war Aphrodite, die das höchste Lob des Spiegels: «Du bist
die Schönste hier», entgegennahm, so wie es die
Überlieferung verlangte. «Na ja», sagte Nobodaddy. «Das Ganze ist eine gute
Übung; morgen kommen sie wieder. Was sollten sie sonst auch tun? Schließlich
können sie nicht zu Hause bleiben und fernsehen oder in den Fitnessclub gehen.»
    Aphrodite,
die Siegerin, schritt durch die Menge und winkte huldvoll, wenn auch ein wenig
roboterhaft. Einmal kam sie bis auf wenige Schritte an Luka heran, und er sah,
dass sie mit seltsam glasigen Augen in die Unendlichkeit blickte. «Kein Wunder,
dass sie nichts Reales sieht», dachte er. «Sie hat nur Augen für sich selbst.»
    Er schaute
sich suchend um, aber Soraya war verschwunden. «Bestimmt hat sie sich
gelangweilt», sagte Nobodaddy. «Wir werden sie draußen treffen.» Ehe sie aus
der Arena gingen, zeigte er Luka noch einige der bemerkenswerteren Gäste im
Publikum. Der Humbaba aus Assyrien war ein nackter Schuppenriese mit gehörntem
Schädel und Löwenpranken, sein Schwanz eine lebende Schlange mit einer kleinen,
zuckenden Gabelzunge. «Genau wie sein Pimmel», bemerkte Luka mit Begeisterung.
«Das ist was, eine Pimmelschlange, so was habe ich ja noch nie gesehen.» Fast
noch verblüffender fand er eine Gruppe zentralasiatischer Boramez, die wie
Babylämmer aussahen, nur dass die Beine lange, fleischige Wurzeln waren, die
Süßkartoffeln oder Pastinaken glichen. «Lammkoteletts mit zwei Sorten Gemüse»,
dachte Luka, «lecker! Diese Tiere sind jedes für sich ein komplettes, nahrhaftes
Mahl.» Auch mehrere dreiköpfige Trolle sah er in der Menge, ebenso viele
enttäuschte Walküren, die gehofft hatten, dass ihre Freya gewinnen würde.
     
    *
     
    Soraya
wartete vor den Pdiododendronbüschen und musterte sie mit einer
Unschuldsmiene, die Luka gleich vermuten ließ, dass sie etwas im Schilde
führte. «Was ist?», fragte er, wartete ihre Antwort aber gar nicht erst ab, sondern
fuhr ohne Pause fort: «Ist auch egal. Wir vergeuden unsere Zeit. Brechen wir
auf, okay?»
    «Es war
einmal», begann Soraya verträumt, «ein Indianerstamm namens Karaoke, und der
hatte kein Feuer. Deshalb froren die Indianer; sie waren traurig und sangen
keine Lieder.»
    «Wir haben
jetzt keine Zeit für Märchen», sagte Luka, doch Soraya beachtete ihn gar nicht
und fuhr fort: «Das Feuer war von einer gottähnlichen Kreatur namens Ekoarak
erschaffen worden», erzählte sie mit ihrer verträumten, melodiösen Stimme,
einer sehr schönen Stimme, wie Luka zugeben musste, genau wie der seiner
Mutter, weshalb er ihr gern zuhörte, «doch hatte er das Feuer in einer
Musiktruhe versteckt und zwei alten Hexen zur sicheren Aufbewahrung gegeben,
mit der strikten Anweisung, sie unter keinen Umständen den Karaoke-Indianern
auszuhändigen ...»
    «Ich
hoffe, du willst auf irgendwas Bestimmtes hinaus», unterbrach Luka sie ein
wenig unhöflich, brachte die Insultana damit jedoch nur zum Lächeln, denn
schließlich war Unhöflichkeit bei den Ottern Brauch.
    «Es war
Kojote, der beschloss, das Feuer zu stehlen», sagte sie, und Bär der Hund
spitzte die Ohren. «Ist das eine Geschichte über einen heldenhaften
Präriehund?», erkundigte er sich hoffnungsvoll, aber Soraya ignorierte ihn.
«Kojote überredete den Löwen, den großen und den kleinen Bären, den Wolf, das
Eichhörnchen und den Frosch, ihm zu helfen. Sie verteilten sich in regelmäßigen
Abständen zwischen dem Zelt der Hexen und dem Dorf Karaoke und warteten ab.
Kojote trug einem der Indianer auf, zu den Hexen zu gehen und zum Schein über
sie herzufallen.

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