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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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ihr den rechten Pfad verloren habt,
vernehmt die Wahrheit! Ich bin der Absolute Vollbringer, von dem die Menschheit spricht.» Man nannte ihn
Vali Allah, den Vikar Gottes, und für seine «rothaarigen»
Kizilbasch-Soldaten war er tatsächlich ein Gott. Bescheidenheit, Großzügigkeit, Freundlichkeit: Diese Tugenden
gehörten nicht gerade zu seinen Charaktereigenschaften.
Doch als er das Schlachtfeld von Marv in südlicher Richtung verließ, im Gepäck ein Honigglas mit dem Kopf von
Shaibani Khan, um im Triumph in Herat einzuziehen,
wurde er mit ebendiesen Worten von jener Prinzessin
beschrieben, die die Geschichte vergessen hatte, von
Dame Schwarzauge, von Qara Köz. Schah Ismail war ihr
erster Schwarm. Sie war siebzehn Jahre alt.
«Also stimmt es doch», rief der Herrscher. «Der Fremde,
um dessentwillen sie sich weigerte, mit Khanzada an den
Hof meines Großvaters zurückzukehren, der Grund also,
warum sie mein edler Ahn aus den Annalen der Geschichte getilgt hatte - der Verführer, von dem unsere
geliebte Tante Gulbadan sprach -, es war nicht Euer Arcalia oder Argalia, sondern der Schah von Persien
höchstpersönlich.»
«Sie beide waren Kapitel in ihrer Geschichte, 0 Schirmherr der Welt», erwiderte der Geschichtenerzähler. «Eines nach dem anderen, erst der Sieger, dann des Siegers
Bezwinger. Frauen sind nicht vollkommen, das wird man
zugeben müssen, und wie es schein~ hatte die junge Dame eine Schwäche für Gewinner.»
Herat, die Perle von Chorasan, Heimstatt des Künstlers
Behzad, des Malers unvergleichlicher Miniaturen, sowie
des Dichters Jami, des unsterblichen Philosophen der
Liebe und letzter Ruheplatz der Patronin der Schönheit,
der großen Königin Gauhar Shad, was so viel bedeutet
wie Glückliches oder Leuchtendes Juwel. «Ihr alle gehört
jetzt Persien», rief Schah Ismaillaut, als er durch die eroberten Straßen ritt. «Eure Geschichte, die Oasen, Bäder,
Brücken, Kanäle und Minarette gehören jetzt alle mir.»
Zwei gefangene Prinzessinnen aus dem Herrscherhaus
der Moguln beobachteten ihn von einem hohen Palastfenster aus. «Heute werden wir sterben oder die Freiheit
gewinnen», sagte Khanzada und unterdrückte dabei ein
Zittern in der Stimme. Shaibani Khan hatte sie zu seiner
Frau gemacht, und sie hatte ihm einen Sohn geboren. Ihr
fiel das versiegelte Gefäß auf, das gleich hinter dem
Pferd des Eroberers an einem gewöhnlichen Speer hing,
und sie wusste, was sich darin befand. «Wenn der Vater
tot ist», sagte sie, «ist auch das Schicksal meines Sohnes
besiegelt.» Ihre Analyse war korrekt, und als Schah Ismail an die Tür der Prinzessin klopfte, hatte man den
Jungen bereits zu seinem Vater gesandt. Der persische
König verbeugte sich tief vor Prinzessin Khanzada. «Ihr
seid die Schwester eines großen Bruders», sagte er, «also
lasse ich Euch frei. Ich gedenke, Euch mit vielen Geschenken der Freundschaft zu König Babar zurückzusenden, der sich zurzeit in Kundus aufhält; und Ihr, meine
Damen, werdet das größte aller Geschenke sein.»
    «Bis gerade eben», erwiderte Khanzada, «war ich nicht
bloß Schwester, sondern auch Mutter und Eheweib. Da
Ihr mir zwei Drittel meiner selbst genommen habt, könnt
Ihr den Rest auch heimkehren lassen.» Nach neun Jahren
als Wurmholz Khans Königin und acht Jahren als Mutter
eines Prinzen wurde ihr das Herz in Stücke gerissen.
Doch nicht einen Moment lang ließ sie zu, dass Herz
oder Stimme ihre wahren Gefühle verrieten, weshalb
Schah Ismail sie kalt und gefühllos fand. Angeblich war
Khanzada mit neunundzwanzig noch eine große Schönheit, und der Perser fühlte sich sehr versucht, hinter ihren
Schleier zu schauen, doch zügelte er seine Begierde und
wandte sich stattdessen an das jüngere Mädchen. «Und
Ihr, Gnädigste», sagte er mit aller Höflichkeit, die er aufzubringen vermochte, «was habt Ihr Eurem Befreier zu
sagen?»
    Khanzada Begum nahm ihre Schwester am Arm, als
wollte sie mit ihr fortgehen. «Danke, aber meine Schwester und ich sind einer Meinung», sagte sie; Qara Köz
schüttelte jedoch ihre Hand ab, riss den Schleier fort und
schaute dem jungen König direkt ins Gesicht.
«Ich möchte lieber bleiben», sagte sie.
Es gibt eine Schwäche, die Männer am Ende einer
Schlacht überfallt, die sie spüren lässt, wie leicht Leben
vernichtet wird, weshalb sie es wie eine Kristallschale an
die Brust drücken und seine Kostbarkeit ihnen allen Mut
nimmt. In solchen Momenten ist jeder Mann

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