Rushdie Salman
Wanken gerate. Alle drei, die beiden Höflinge
und der Herrscher, wussten, dass die Männer diesen
Krieg der Frauen nicht beenden konnten. Also wurden
die Königinmutter Hamida Bano und die alte Prinzessin
Gulbadan zum Palast der Träume gebeten. Bei ihrer Ankunft stießen und schubsten sie sich, und jede der alten
Damen klagte lauthals über die gehässige Tücke der anderen, was offensichtlich machte, wie sehr die Krise bereits außer Kontrolle geraten war.
Haus Skanda war einer der wenigen Orte in Sikri, der
gegen dieses Phänomen immun geblieben war, weshalb
Matratze und Skelett schließlich den Hügel hinanstiegen
und eine Audienz beim Herrscher begehrten, kannten sie
doch die Lösung des Problems. Selbsterhaltung war die
mächtige Triebfeder für diese unerhörte Tat. «Wir müssen handeln», hatte Skelett Mogor nachts im Bett ins Ohr
geflüstert, «sonst dauert es keine fünf Minuten mehr, bis
jemand behauptet, die ganze Aufregung sei Euer Verschulden, und dann sind wir erledigt.» Den Herrscher
amüsierte der Wagemut der Huren, doch war er zugleich
so besorgt, dass er ihrer Bitte nach einer Audienz nachkam und sie zu sich an den Rand des Besten aller Möglichen Becken kommen ließ. Er ruhte auf einem takht-Bett
mitten auf dem Wasser in kissenweicher Behaglichkeit
und bat die Kurtisanen, gleich zur Sache zu kommen.
jahanpanah, Schirmherr der Welt», sagte das Skelett, «Ihr
müsst allen Frauen Sikris befehlen, die Kleider abzulegen.» Der Herrscher fuhr auf. Das wurde interessant.
«Alle Kleider?», fragte er, nur um sich zu vergewissern,
dass er sie auch richtig verstanden hatte. «Jedes Fitzelchen», sagte die Matratze mit tödlichem Ernst. «Unterwäsche, Socken, sogar die Bänder im Haar. Lasst sie für
einen Tag splitternackt durch die Stadt laufen, und mit
diesem ganzen Unsinn ist es im Handumdrehen vorbei.»
«Der Ärger hat sich nur deshalb nicht auf das Bordell
ausgedehnt», erklärte das Skelett, «weil wir Damen der
Nacht keine Geheimnisse voreinander haben. Wir waschen uns gegenseitig die Geschlechtsteile und wissen
genau, welche Hure die Syph hat und welche sauber ist.
Wenn die Frauen der Stadt einander nackt in den Straßen
sehen, nackt in der Küche, nackt im Basar, nackt überall,
aus jedem Blickwinkel, wenn all ihre Makel und geheimen Haarigkeiten erkennbar sind, müssen sie über sich
selbst lachen und werden begreifen, wie närrisch die Annahme war, diese merkwürdigen, komischen Figuren
könnten ihre Widersacherinnen sein.,,
«Was nun die Männer betrifft», ergänzte Mohini, das
Skelett, «müsst Ihr ihnen befehlen, sich die Augen zu
verbinden, und Ihr müsst es ihnen gleichtun. Einen Tag
lang darf kein Mann in Sikri eine Frau anschauen, während die Frauen, die sich gleichsam unverborgen sehen,
wieder miteinander auszukommen lernen.»
«Falls Ihr glaubt, ich würde da mitmachen», sagte Hamida Bano, «hat Euch der Fremde wirklich das Hirn aufgeweicht.» Akbar schaute seiner Mutter in die Augen.
«Wenn der Herrscher etwas befiehlt», sagte er, «ist der
Tod die Strafe für Ungehorsam.»
Der Himmel zeigte sich gnädig am Tag der nackten
Frauen. Die Sonne blieb immerzu hinter Wolken verborgen, und es wehte ein kühler Wind. An diesem Tag ließen die Männer von Sikri ihre Arbeit ruhen, kein Geschäft wurde geöffnet, niemand ging aufs Feld, die Türen
der Künstlerateliers und Werkstätten waren geschlossen.
Edelleute blieben im Bett, Musiker wie Höflinge wandten das Gesicht zur Wand. Und in der Abwesenheit der
Männer lernten die Frauen der Hauptstadt aufs Neue,
dass sie nicht aus Lügen und Verrat, sondern bloß aus
Haar, Haut und Fleisch bestanden, dass sie alle gleichermaßen unvollkommen waren und nichts Besonderes voreinander verbargen, keine Gifte und Intrigen, ja, dass
letzten Endes sogar Schwestern eine Möglichkeit finden
konnten, sich miteinander zu vertragen. Als die Sonne
unterging, zogen die Frauen sich wieder an; die Männer
nahmen ihre Augenbinde ab, und ein Mahl ähnlich den
Speisen am Ende der Fastenzeit wurde aufgetischt, ein
Abendbrot aus Wasser und Früchten. Von jenem Tage an
war das Haus von Skelett und Matratze das einzige
Nachtetablissement, das des Herrschers Siegel der Anerkennung trug, und die Hausdamen selbst wurden zu Akbars Ehrenratgeberinnen ernannt. Es gab nur zwei
schlechte Neuigkeiten; die erste betraf den Kronprinzen
Salim. Beim Zechen am Abend prahlte er vor allen, die
ihm zuhören wollten, er habe die
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