Rushdie Salman
ein Feigling, der an nichts anderes denken kann als an die Umarmung einer Frau, an nichts anderes als die heilenden
Worte, die allein eine Frau zu flüstern vermag, an das
Vergnügen, sich in den fatalen Labyrinthen der Liebe zu
verlieren. Im Banne dieser Schwäche kann ein Mann tun,
was seine besten Pläne durchkreuzt; er kann Versprechen
geben, die seine Zukunft ändern. Und so geschah es, dass
Schah Ismail von Persien in den schwarzen Augen einer
siebzehnjährigen Prinzessin ertrank.
«Dann bleibt», sagte er.
«Der Drang nach einer Frau, die uns von der Einsamkeit
nach dem Morden befreit», sagte der Herrscher erinnerungsschwer, «die das schlechte Gewissen nach dem Sieg
lindert Dünkel nach der Niederlage, das Zittern in den
Knochen. Die uns in ihren Armen hält; wenn wir spüren,
wie der Hass verebbt und einer höheren Form von Verlegenheit weicht. Die uns mit Lavendelduft netz; um den
Blutgeruch an unseren Fingerspitzen zu überdecken, den
Schlachtgestank unseres Bartes. Der Drang nach einer
Frau, die uns sagt, dass wir ihr allein gehören, und die
unsere Gedanken vom Tod ablenkt. Die jene Neugierde
darauf dämpft, wie es vor dem Stuhl des Jüngsten Gerichtes wohl sein mag, die uns den Neid auf jene nimm;
die vor uns dahingegangen sind, um dem Allmächtigen
von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten, und die
alle Zweifel beschwichtigt, die uns den Magen umdrehen, Zweifel an einem Leben nach dem Tod oder gar an
Gott selbst~ wirkt doch der Geschlagene so vollkommen
to~ und kein höherer Sinn scheint in Sicht.»
Später, als er sie bereits auf immer verloren hatte, redete
Schah Ismail von Hexerei. Es habe ein Zauber in ihrem
Blick gelegen, der nicht ganz menschlich gewesen sei,
sagte er; eine Teufelin habe in ihr gesteckt und ihn in
seinen Untergang geführt. «Dass eine derart schöne Frau
keine Zärtlichkeit kennt», sagte er zu seinem taubstummen Leibdiener, «hatte ich nicht erwartet. Ich hatte auch
nicht erwartet, dass sie sich so beiläufig von mir abkehrt,
beinahe so, als wechselte sie bloß die Schuhe. Ich hatte
erwartet, der Geliebte zu sein, nicht aber, majnun-Layla
zu sein, liebestoll. Und ich hatte nicht erwartet, dass sie
mir das Herz bricht.»
Als Khanzada Begum ohne ihre Schwester zu Babar nach
Kundus kam, wurde ihre Ankunft mit großen Paraden
und vielen Tänzen gefeiert, mit Trompetenschall und
Gesängen; Babar selbst kam ihr gar zu Fuß entgegen, als
sie der Sänfte entstieg. Doch insgeheim kochte er vor
Wut, und es geschah in jener Zeit, dass er befahl, Qara
Köz aus den Annalen der Geschichte zu tilgen. Eine Weile ließ er Schah Ismail noch in dem Glauben, dass sie
beide Freunde seien. Zum Beweis prägte er Münzen mit
Ismails Antlitz, und Ismail entsandte Truppen, mit deren
Hilfe er die Usbeken aus Samarkand vertrieb. Dann aber
konnte er Ismail plötzlich nicht länger ertragen, und er
befahl ihm, seine Truppen zu nehmen und nach Hause zu
verschwinden.
«Das ist interessant», sagte der Herrscher. «Der Entschluss unseres Großvaters, die Safawidenarmee nach der
Rückeroberung Samarkands heimzuschicken, ist uns
nämlich stets ein Rätsel geblieben. Damals hatte er übrigens auch aufgehört an seinem Lebensbuch zu schreiben,
das er erst elf Jahre später wieder zur Hand nehmen sollte, weshalb ihm persönlich zu dieser Angelegenheit
nichts überliefert ist. Kaum waren die Perser abgezogen,
verlor er Samarkand wieder und musste nach Osten fliehen. Wir hatten stets geglaubt, er habe persische Hilfe
abgelehnt weil ihm Schah Ismails religiöser Bombast
zuwider war: die endlosen Proklamationen seiner eigenen
Göttlichkeit die Zwölferschiiten-Verherrlichung. Wenn
der wahre Grund aber Babars schwelender Ärger über die
verschwiegene Prinzessin war; zog ihre Entscheidung
wahrlich viele große Entwicklungen nach sich! Denn nur
weil er Samarkand verließ, kam Babar nach Hindustan
und errichtete hier seine Dynastie, und wir selbst sind der
dritte Herrscher in seiner Nachfolge. Wenn die Geschichte also stimm~ dann lässt sich der Beginn unseres Reiches unmittelbar auf den Eigensinn von Qara Köz zurückführen. Sollten wir sie nun verdammen oder sie loben? War sie eine Verräterin, die auf immer verachtet
gehört? Oder unsere genetrix, unsere Gebärerin, die unsere Zukunft formte?
«Sie war ein schönes, eigensinniges Mädchen», erwiderte
Mogor dell’Amore, «und ihre Macht über Männer derart
groß dass sie selbst anfänglich wohl nicht
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