Rushdie Salman
Schlacht von Marv, erschlagen von Persiens
Schah Ismail, der seinen Schädel in Gold fassen ließ, um
einen Pokal daraus zu machen, und Gliedmaßen des besiegten Feindes in alle Welt versandte, um seinen Tod zu
beweisen. So endete der erfahrene, aber auch entsetzliche, ungebildete und barbarische Krieger von gut sechzig
Jahren: angemessen und zugleich beschämend, enthauptet und zerstückelt von einem noch unreifen, kaum vierundzwanzigjährigen Jüngelchen.
«So ist es viel besser», sagte der Herrscher und ließ den
Blick zufrieden auf seinem eigenen Pokal ruhen. «Denn
man kann niemanden einen fähigen Regenten nennen,
der die eigenen Untertanen tötet, Freunde betrügt, keinen Glauben kennt, keine Gnade, keine Religion; so mag
man Macht erringen, doch gewiss keinen Ruhm.»
«Niccolij Machiavelli von Florenz hätte es nicht schöner
formulieren können», pflichtete ihm der Geschichtenerzähler bei.
In Astrachan an den Ufern der Atil, später Wolga genannt, wurde die Kartoffelhexerei geboren, zur Welt gebracht von der apokryphen Hexenmutter Olga der Ersten,
doch waren ihre Anhänger längst zerstritten, wie auch die
Welt zerstritten war, weshalb an der Westküste des Kaspischen Meeres, die man die chasarische nannte, unweit
von Ardabil, wo Schah Ismails Safawidendynastie im
Mystizismus der Sufis wurzelte, die Hexen nun zu den
Schiiten gehörten und sich an den Triumphen des neuen
Zwölferschiitenreiches Persiens erfreuten, während jene,
die bei den Usbeken an der Ostküste lebten, die wenigen
armen, fehlgeleiteten Kreaturen, auf seiten von Wurmholz Khan standen. Später dann, als Schah Ismail durch
die osmanische Armee eine Niederlage hin-nehmen
musste, behaupteten diese sunnitischen Kartoffelhexen
des östlichen Chasarenmeeres, ihre Flüche seien stärker
gewesen als die Magie ihrer schiitischen Schwestern im
Westen. Denn die chorasanische Kartoffel ist allmächtig,
riefen sie viele Male die Worte ihres heiligsten Glaubensbekenntnisses, durch sie ist alles möglich.
Bei richtiger Anwendung sunnitisch-usbekischer Kartoffelflüche ließ sich ein passender Gatte finden, eine hübschere Rivalin vertreiben oder der Sturz eines Schiitenherrschers herbeiführen. Schah Ismail war das Opfer des
selten ausgeführten Großenubekischen-Anti-Schiiten-
Kartoffel-und -Störfisch -Zaubers, für den Kartoffeln und
Kaviar in rauen Mengen nötig waren, die sich nur
schwerlich auftreiben ließen, der aber auch ein einhelliges Vorgehen aller Sunni-Hexen voraussetzte, das nicht
weniger schwer erlangt werden konnte. Als die östlichen
Kartoffelhexen schließlich die Nachricht von Ismails
vernichtender Niederlage vernahmen, wischten sie sich
die Tränen aus den Augen, hörten zu jammern auf und
tanzten. Eine Pirouetten drehende chorasanische Hexe ist
ein wahrhaft seltener Anblick, und nur wenige, die diesen
Tanz zu Gesicht bekamen, sollten ihn je wieder vergessen. Außerdem riss der Kaviar-und-Kartoffel-Fluch eine
Kluft in die Schwesternschaft der Kartoffelhexen, die
sich bis heute nicht wieder geschlossen hat.
Allerdings mag es noch den ein oder anderen prosaischeren Grund für den Ausgang der Schlacht von Chaldiran
gegeben haben, etwa jenen, dass die osmanische Armee
der persischen zahlenmäßig weit überlegen war oder dass
die Osmanen Ge-wehre trugen, Waffen also, die in den
Augen der Perser nichts für echte Männer waren, weshalb sie sich weigerten, sie zu tragen, und folglich in
großer Zahl einen zweifellos höchst männlichen Tod
starben, oder auch jenen Grund, dass der Anführer der
osmanischen Streitkräfte ein unbesiegbarer Janitscharengeneral war, der Schlächter von Vlad, der Pfähler, der
Drachendämon der Walachei, Argalia nämlich, der florentinische Türke. Für wie groß Schah Ismail sich auch
hielt - und niemand konnte ihm in seiner hohen Meinung
von sich selbst das Wasser reichen -, vermochte er dem
Träger der Verwunschenen Lanze doch nicht lange
standzuhalten.
Schah Ismail von Persien, dem selbsternannten Stellvertreter des Zwölften Imams auf Erden, sagte man nach,
dass er arrogant sei, egoistisch und ein fanatischer Konvertit des Ithna Ashari, also des Zwölferschiitentums.
«Ich breche die Poloschläger meiner Gegner», prahlte er
mit den Worten des Sufi-Heiligen Shaykh Zahid, «und
dann gehört mir das Feld.» Gleich darauf erhob er mit
eigenen Worten einen noch weit größeren Anspruch.
«Ich bin der wahre Gott aus wahrem Gott! Kommt, 0 ihr
Blindäugigen, die
Weitere Kostenlose Bücher