Rushdie Salman
Heiterkeit und tiefen Friedens. Prinzessin Qara Köz und ihr
züchtig verhüllter Spiegel gingen oft in diesen Gärten
spazieren, ruhten sich in einem der Kioske aus, tranken
süße Säfte und unterhielten sich in leisen, sanften Tönen
mit den vielen Palast-bostancis, den Gärtnern, die Blumen für Herrn Argalia sammeln sollten; und so müßig,
wie Frauen dies gern tun, schwatzten und tratschten sie
mit ihnen über den arglosen Klatsch des Tages. Bald war
das gesamte Gartenpersonal, vom einfachsten Unkrautzupfer bis zum bostanci-basha, dem Obergärtner, in die
beiden Damen verschossen, und so lösten sich die Zungen, wie dies bei wahrhaft Liebenden oft geschieht. Viele
wunderten sich, wie rasch die beiden ausländischen Damen doch die türkische Sprache erlernt hatten, beinahe
über Nacht, zumindest kam es ihnen so vor. Wie durch
Zauberei, sagten die Gärtner.
Qara Köz’ wahre Absichten waren jedoch alles andere als
arg-los. Sie wusste, wie dies alle neuen Bewohner der
Wohnstätte der Glückseligkeit nur allzu bald wussten,
dass die tausendundeinen bostancis nicht bloß die Gärtner des Sultans, sondern auch dessen offizielle Scharfrichter waren. Wurde eine Frau eines Vergehens überführt, war es ein bostanci, der sie lebend in einen mit
Steinen beschwerten Sack einnähte und in den Bosporus
warf. Und sollte ein Mann getötet werden, packte ihn
eine Gruppe Gärtner und unterzog ihn einer rituellen
Strangulation. So also wurde Qara Köz die Freundin der
bostancis und lernte kennen, was die Gärtner mit schwarzem Humor die Tulpennachrichten nannten. Schon bald
verdrängte der Gestank des Verrates den zarten Duft der
Blumen. Man warnte sie, dass ihr Herr, der große General, der Diener dreier Sultane, Gefahr laufe, sich falschen
Beschuldigungen ausgesetzt zu sehen und zum Tode verurteilt zu werden. Der Obergärtner selbst teilte ihr dies
mit. Der bostanci-basha der Wohnstätte der Glückseligkeit war auch des Sultans oberster Scharfrichter, der nicht
allein seiner hortikulturellen Fähigkeiten wegen, sondern
auch wegen seines Lauf tempos ausgewählt wurde, denn
wenn man einen Günstling des Hofes zum Tode verurteilte, bekam er eine Chance, die keinem gewöhnlichen
Sterblichen gewährt wurde. Lief er schneller als der bostanci-basha, durfte er weiterleben, die Strafe würde in
Verbannung umgewandelt. Nur war der bostanci-basha
berühmt dafür, dass er schnell lief wie der Wind, weshalb
die Chance eigentlich keine war. Diesmal allerdings
stimmte den Gärtner der Gedanke an das, was er zu tun
haben würde, nicht froh. «Ich müsste mich schämen, einen so großen Mann umzubringen», sagte er. «Dann»,
erwiderte die Zauberin, «sollten wir möglichst einen Weg
aus diesem Dilemma finden.»
«Gerüchte schwirren durch den Garten», erzählte sie Argalia bei der Ankunft daheim. «Er wird Euch bald umbringen.» Mit ernster Miene fragte Argalia: «Unter welchem Vorwand?» Die Prinzessin nahm sein blasses Gesicht in beide Hände. «Ich bin der Vorwand», sagte sie.
«Ihr habt Euch eine Mogulprinzessin als Kriegsbeute
erkoren. Das wusste er nicht, als er Euch ziehen ließ, aber
jetzt weiß er es. Die Gefangennahme einer Mogulprinzessin ist eine kriegerische Handlung gegen den Herrscher, weshalb er behaupten wird, Ihr hättet, da Ihr das
Osmanenreich in eine solche Lage brachtet, Hochverrat
begangen und müsstet folglich den Preis dafür zahlen.
Das jedenfalls verkünden die Nachrichten der Tulpen.»
Derart gewarnt, hatte Argalia Zeit, sich vorzubereiten,
und an dem Tag, an dem sie kamen, ihn zu holen, waren
Qara Köz und Spiegel bereits im Schutze der Nacht mit
vielen Truhen voller Schätze, die er in manch erfolgreichem Feldzug angesammelt hatte, sowie in Begleitung
der vier Schweizer Riesen und darüber hinaus der gesamten Schar seiner treuesten Janitscharen, insgesamt einigen
hundert Mann, nach Bursa vorausgeschickt worden, damit sie südlich der Hauptstadt auf ihn warteten. «Wenn
ich mit euch fliehe», hatte er gesagt, «wird Selim uns
jagen und wie tollwütige Hunde niedermetzeln. Also
muss ich den Prozess über mich ergehen lassen und nach
meiner Verurteilung das Rennen gegen den Gärtner gewinnen.» Qara Köz hatte gewusst, dass er dies sagen
würde. «Wenn Ihr so fest zum Sterben entschlossen
seid», sagte sie, «werde ich Euch wohl gewähren lassen
müssen.» Womit sie meinte, sie wolle ihm das Leben
retten, auch wenn es nicht einfach werden würde, da sie
beim großen
Weitere Kostenlose Bücher