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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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Ustajlu, Husain Beg Lala Ustajlu, Sam
Pira Ustajlu und so weiter. Als könnte sie sehen, ohne zu
sehen. Und Spiegel warf ihre Worte zurück, sodass die
Namen der Toten durch das’ königliche Zelt widerzuhallen schienen. Amir Nizam al-Din Abd al-Baqi … al-Baqi
… , der Name des Schahs aber, der sich für Gott hielt,
wurde nicht ausgesprochen. Die Mitte der Osmanen hielt,
nur war die türkische Kavallerie kurz davor, in Panik
auszubrechen, als Argalia endlich die Artillerie nach vom
befahl. «Ihr Bastarde», schrie er seine eigenen Janitscharen an, «sehe ich auch nur einen davonlaufen,
lasse ich die Kanonen auf euch richten.» Die Schweizer
Riesen liefen bis an die Zähne bewaffnet neben der Gefechtslinie her, um Argalias Drohungen Nachdruck zu
verleihen. Dann setzte der Donner der Geschütze ein.
«Der Sturm beginnt», sagte die im Zelt sitzende Zauberin. «Der Sturm», wiederholte Spiegel. Es war unnötig,
die persische Armee in ihrem Todeskampf zu sehen,
doch wurde es Zeit, ein trauriges Lied anzustimmen.
Schah Ismaillebte, der Tag aber war verloren.
Er war vom Schlachtfeld geflohen, verwundet, ohne sie
zu holen. Das wusste sie. «Er ist fort», sagte sie zu Spiegel. «Ja, er ist fort», stimmte die Sklavin zu. «Wir sind
der Gnade des Feindes ausgeliefert», sagte die Zauberin.
«Gnade», wiederholte Spiegel.
    Die vor dem Zelt postierten Wachen waren ebenfalls
geflohen. Zurück blieben zwei Frauen, allein auf einem
grauenhaften Blutfeld. So fand Argalia sie: Unverschleiert, den Blick vom Eingang des königlichen Zeltes
ab gewandt, saßen sie allein, hoch aufgerichtet, am Ende
der Schlacht von Chaldiran, und sie sangen ein trauriges
Lied. Prinzessin Qara Köz wandte sich zu ihm um, ohne
sich auch nur zu bemühen, ihr nacktes Antlitz vor seinen
Blicken zu verbergen, und von diesem Moment an hatten
sie bloß noch Augen füreinander und waren für den Rest
der Welt verloren.
    Er sah aus wie eine Frau, dachte sie, wie eine große,
blasshäutige, schwarzhaarige Frau, die sich mit Tod vollgestopft hat. Wie weiß er war, weiß wie eine Maske.
Darauf, gleich einem Blutfleck, diese roten, so roten Lippen. Ein Schwert in der Rechten, in der Linken ein Gewehr. Er war beides, Schwertkämpfer und Schütze, Mann
und Frau, er selbst und sein Schatten. Sie verließ Schah
Ismail, so wie er sie verlassen hatte, und wählte erneut.
Diesen fahlgesichtigen Fraumann. Später würde er sie
und Spiegel als Kriegsbeute beanspruchen, und Selim der
Grimmige würde einverstanden sein, doch da hatte sie
ihn längst gewählt, und es war ihr Wille, der in Gang
setzte, was folgte.
«Habt keine Angst», sagte er auf Persisch.
    «Niemand hier kennt die wahre Bedeutung von Angst»,
erwiderte sie, erst auf Persisch, dann noch einmal auf
Tschagatai, ihrer turkmenischen Muttersprache.
Und unhörbar unter diesen Worten die eigentlichen Worte:
Wollt Ihr der Meine sein? Ja, ich gehöre Euch.
    Nach der Plünderung von Täbris wollte Selim bleiben,
um in der Hauptstadt der Safawiden zu überwintern und
das übrige Persien im Frühjahr zu erobern, doch Argalia
sagte ihm, falls er darauf bestehe, würde die Armee meutern. Sie hatten gesiegt und einen Großteil von Ostanatolien und Kurdistan eingenommen, hatten die Größe des
Osmanischen Reiches fast verdoppelt, jetzt war es genug.
Man möge das mit der Schlacht von Chaldiran eroberte
Gebiet als neues Grenzland zwischen den Osmanen und
den Safawiden anerkennen. Täbris sei außerdem leer.
Weder für seine Männer noch für die Pferde der Reiterei
oder für die Lastkamele finde sich Nahrung. Die Armee
wollte heim. Selim begriff, dass ein Ende erreicht war.
Acht Tage nach dem Einmarsch der osmanischen Armee
in Täbris führte Selim seine Männer aus der Stadt und
schlug den Weg nach Westen ein.
    Ein besiegter Gott ist kein Gott mehr. Und ein Mann, der
seine Gefährtin auf dem Schlachtfeld zurücklässt, ist kein
Mann mehr. Innerlich gebrochen, kehrte Schah Ismail in
seine besiegte Stadt zurück und gab sich während der
letzten zehn Jahre seines Lebens dem Suff und der Melancholie hin. Er trug schwarze Kleider und einen
schwarzen Turban, sogar die Standarten der Safawiden
wurden schwarz gefärbt. Nie wieder ritt er in eine
Schlacht und schwankte unablässig zwischen hemmungslosen Ausschweifungen und tiefster Trauer, sodass jedermann seine Schwäche und das Ausmaß seiner Verzweiflung erriet. War er betrunken, rannte er durch die
Räume seines Palastes und

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