Rushdie Salman
zusteht.»
«Und was genau wäre das?», wollte Andrea Doria wissen. «Eure Freundschaft», erwiderte die Zauberin, «sowie
ein gutes Mahl und sicheres Geleit durch diese Gewässer.»
«Sicheres Geleit wohin?», fragte der Admiral. «Wohin
will er mit solch einer blutrünstigen Schar?»
«Nach Hause heißt es für den Seemann, Andrea», sagte
Argalia, der Türke. «Nach Hause für den Krieger. Ich
habe die Welt gesehen, habe mein Scherflein Blut vergossen und auch mein Glück gemacht; jetzt will ich es
genießen.»
«Ihr seid ein Kind geblieben», erwiderte Andrea Doria.
«Ihr glaubt immer noch, Euer Zuhause am Ende einer
langen Reise sei ein Ort, an dem ein Mensch seinen Frieden finden kann.»
16. Als wären alle Florentiner Kardinäle …
Als wären alle Florentiner Kardinäle, kamen die verachteten Armen der Stadt den rotgewandeten Eminenzen
zuvor, die in der Sixtinischen Kapelle in Klausur saßen,
und zündeten vor lauter Begeisterung über die Wahl eines Medici zum Papst Freudenfeuer an. Die Stadt war so
voller Flammen und Rauch, dass man aus der Ferne meinen konnte, sie würde niedergebrannt. Ein Reisender, der
diesen Weg bei Sonnenuntergang entlangkam - ebenjener
Reisende, der jetzt diesen Weg entlangkommt, den Weg
vom Meer hierher, dessen zusammengekniffene Augen,
weiße Haut und das schwarze lange Haar ihn nicht wie
einen zurückkehrenden Landsmann, sondern wie ein exotisches Geschöpf aus einer fernöstlichen Legende aussehen ließen, wie einen Samurai von der Insel Cipangu
oder Zipangu vielleicht, will sagen von Japan, einen
Nachfahren der furchterregenden Kiushu-Krieger, die
einst die einfallenden Horden des chinesischen Herrschers Kubilai Khan besiegten -, ein solcher Reisender
könnte meinen, sich dem Schauplatz einer Katastrophe
zu nähern, und innehalten, das Pferd zügeln und gleich
einem General gebieterisch die Hand heben - wie jemand
eben, der es gewohnt ist, dass ihm gehorcht wird -, um
sich einen Überblick zu verschaffen. Argalia sollte sich
in den folgenden Monaten noch oft an diesen Augenblick
erinnern. Die Freudenfeuer waren entzündet worden,
noch ehe die Entscheidung der Kardinäle gefallen war,
doch erwies sich ihre Prophezeiung als zutreffend, und
ein Medici, Kardinal Giovanni de’ Medici, wurde in jener
Nacht tatsächlich zum Papst gewählt, Papst Leo X., um
seine Macht mit der seines Bruders Herzog Giuliano in
Florenz zu vereinen. «Hätte ich gewusst, dass diese Bastarde wieder im Sattel sitzen, wäre ich in Genua geblieben, um mit Doria auf seinen Kampfschiffen zu segeln,
bis die Welt wieder zur Vernunft kommt», sagte er Il
Machia bei ihrem Wiedersehen, «in Wahrheit aber wollte
ich mit ihr angeben.»
«Die Liebe macht einen Mann zum Narren»} gestand der
Herrscher Mogor delfAmore. «Der Welt das unverhüllte
Gesicht der Geliebten zu zeigen ist der erste Schritt auf
dem Weg, sie zu verlieren.»
«Kein Mensch befiehlt Qara Kö~ ihr Gesicht zu enthüllen»} sagte der Reisende. «Auch hat sie es ihrer Sklavin
nicht befohlen. Sie traf ihre Entscheidung aus freien Stücken} ebenso wie ihr Spiegel.»
Der Herrscher verstummte. Über Zeit und Raum hinweg
begann er, sich zu verlieben.
Im Alter von vierundvierzig Jahren spielte Niccolo «Il
Machia» an einem späten Nachmittag in der Taverne von
Percussina Karten mit Frosino Uno, dem Müller, mit dem
Metzger Gabburra und dem Schankwirt Vettori, die sich
Beleidigungen an den Kopf warfen, aber sorgsam darauf
achteten, den Dorfherrn dabei auszusparen, auch wenn er
trunken im Lärm an ihrem Tisch hockte und sich wie
jemand ihresgleichen benahm, zweimal mit der Faust auf
den Tisch schlug, sooft er ein Blatt verlor, dreimal, wenn
er gewann, der fluchte wie sie alle, es im Trinken mit
jedem aufnahm und sie seine geliebten Scheißkerle nannte, als Gaglioffo, der unflätige, nichtsnutzige Holzfäller,
in ungewohnter Hast angelaufen kam, die Augen weit
aufgerissen, und außer Atem hinter sich zeigte. «Hundert
Männer oder mehr», japste er, wies auf die Tür und rang
nach Luft. «Fickt mich zweimal in den Arsch, wenn ich
lüge. Schwer bewaffnet, dazu berittene Riesen, und sie
kommen hierher!»
Niccolo erhob sich, die Karten noch in der Hand. «Dann,
meine Freunde, bin ich ein toter Mann», sagte er. «Der
große Herzog Giuliano hat also doch beschlossen, mich
erledigen zu lassen. Ich danke euch für die vergnüglichen
Abende, die mir halfen, am Ende harter Arbeitstage den
Schimmel von
Weitere Kostenlose Bücher