Rushdie Salman
entgegenzusegeln
und herauszufinden, was die Besucher im Schilde führten. So also geschah es, dass Ceva der Skorpion aufs
Neue dem Menschen gegenübertrat, den er einst in feindlichem Gewässer zurückgelassen hatte.
Der Mann, in dem der Skorpion Argalia noch nicht wieder erkannt hatte, trug, wie er da vor dem Mast des rhodischen Schiffes saß, einen gewaltigen Turban sowie die
weiten, fließenden Brokatgewänder eines wohlhabenden
osmanischen Prinzen. Hinter ihm standen seine Janitscharen, kampfbereit und bis an die Zähne bewaffnet,
und an seiner Seite harrten die zwei schönsten Frauen,
die Ceva je gesehen hatte, ihr Liebreiz unverschleiert und
für jedermann sichtbar, das schwarze Haar offen im
Wind wie die Locken einer Göttin; jegliches Sonnenlicht
schien allein auf sie gerichtet, sodass die übrige Welt
dagegen kalt und dunkel wirkte. Sobald Ceva an Bord
des rhodischen Transportschiffes kam, eine Abteilung der
Goldbande im Rücken, wandten sich die Frauen zu ihm
um, und er fühlte, wie ihm das Schwert aus der Hand
glitt. Ein sanfter, doch unerbittlicher Druck auf beide
Schultern, ein Druck, dem zu widerstehen er zu seinem
eigenen Erstaunen nicht die geringste Lust verspürte,
zwang ihn zu Boden, und plötzlich kniete er mit all seinen Männern zu Füßen der Besucher, und über seine
Lippen sprudelten ungewohnte Worte der Begrüßung:
Seid willkommen, edle Damen, und all jene, die über
Euch wachen.
«Vorsicht, Skorpion», sagte der osmanische Prinz in perfektem florentinischem Italienisch und wiederholte dann
Cevas eigene Worte, «denn wenn ein Kerl mir nicht in
die Augen sieht, reiß ich ihm die Leber raus und verfüttere sie an die Möwen.»
Da wusste Ceva, wen er vor sich hatte. Er wollte aufspringen und nach seiner Waffe greifen, merkte aber,
dass er wie auch all seine Männer aus irgendeinem Grund
am Boden zu haften schien. «Andererseits», fügte Argalia nachdenklich hinzu, «könnt Ihr mir gar nicht in die
Augen, sondern höchstens auf meinen verdammten
Schwanz sehen.»
Der große condottiere Doria, dem der Bart in mächtigen
Wellen vom Kinn herabfloss, posierte gerade für den
Bildhauer Bronzino als Meeresgott Neptun und stand
nackt auf der Terrasse seiner Villa, einen Dreizack in der
Rechten, während der Künstler eine Skizze seiner Blöße
anfertigte, als zu seiner nicht unbeachtlichen Bestürzung
ein schwerbewaffneter Schurkentrupp den privaten Anlegesteg zu seinem Haus heraufkam. Wundersamerweise
marschierte Ceva allen voran, sein eigener Mann, und
führte sich wie ein kriecherischer Speichellecker auf,
während sich inmitten der Gruppe offenbar zwei weibliche, Kapuzen tragende Personen befanden, deren Identität und Eigenart er nicht zu bestimmen wusste. «Wenn
ihr glaubt, eine Bande Briganten mitsamt ihren Huren
genüge, Andrea Doria kampflos gefangen zu nehmen»,
brüllte er, packte mit der einen Hand sein Schwert, mit
der anderen den Dreizack, «dann wollen wir doch einmal
sehen, wer hier mit dem Leben davonkommt.»
Im selben Augenblick schlugen die Zauberin und ihre
Sklavin die Kapuzen zurück, und Admiral Doria brachte
mit einem Mal nur noch ein rotgesichtiges Gestammel
zustande. Seine Hose suchend, wich er vor der herannahenden Gruppe zurück, doch schienen die Frauen seiner
Blöße nicht die geringste Beachtung zu schenken, was
die Schande irgendwie noch mehrte. «Ein Junge, den Ihr
für tot zurückgelassen habt, kehrt zurück, um einzufordern, was ihm zusteht», sagte Qara Köz. Sie sprach akzentfrei Italienisch, das hörte Doria, doch war sie offenkundig keine Italienerin. Sie war eine Besucherin, für die
ein Mann sein Leben opfern konnte, eine Königin, die
man anbeten musste, und ihre Gefährtin, die der königlichen Dame wie ein Spiegelbild glich, dem Original in
Schönheit und Charme nur unwesentlich unterlegen, war
ebenfalls von anbetungswürdiger Wohlgestalt. Im Beisein solcher Wunder konnte man unmöglich ans Kämpfen denken. Admiral Doria warf sich einen Mantel über
und stand mit offenem Munde da, während sich die
Fremden näherten, ein Meeresgott im Banne der dem
Wasser entstiegenen Nymphen.
«Wie versprochen», sagte Qara Köz, «ist er als wohlhabender Prinz zurückgekehrt. Den Wunsch nach Rache hat
er überwunden, für Eure Sicherheit ist also garantiert,
doch fordert er jene Belohnung ein, die ihm angesichts
der in der Vergangenheit geleisteten Dienste und seines
gegenwärtigen Gnadenerweises wohl auch fraglos
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