Russen kommen
Denen vom Fernsehen ist viel zuzutrauen. »Ich will Sie nicht enttäuschen«, meint er dann, »aber momentan sind zu viele Russen-Storys im Umlauf. Wir wollen nichts nachschreiben, was die Konkurrenz vor uns gebracht hat. Vor allem der Tagesjournalismus. Die ArgePlan gibt heute ihre Fusion mit dem Imperium von Kurkow bekannt, das ist heute in den elektronischen Medien und morgen in den Printmedien.«
»Aber ich liefere die Zusammenhänge, das menschliche Rundherum.«
»Auch die Zeitungen werden Hintergründe bringen. Wenn wir in fünf Tagen erscheinen, sehen wir mit dieser Story sehr alt aus.«
Noch lasse ich nicht locker. »Es geht ja nicht nur um Oligarchen. Es geht um die russischen Skitouristen«, ich sehe Droch an, »um Vorurteile der älteren Generation aus der Russenzone, aus der Besatzungszeit, um die Aufarbeitung des Kommunismus.«
Droch dreht die Augen hoch.
Feldner verzieht den Mund. »Wenn Sie das so breit beleuchten wollen: Haben Sie schon an ein Buch gedacht?«
Einige lachen. Auch Droch grinst. Das bringt mich besonders in Wut.
»Ich bringe Hintergründe. In einem Wochenmagazin geht das, da gibt es mehr als Ein-Minuten-Beiträge wie im Fernsehen, die man für Information halten soll«, zische ich.
Der neue Chefredakteur richtet sich in seinem Sessel auf, kerzengerade sitzt er nun da. »Ich hätte von Ihnen gerne ein neues Thema. Ein starkes Thema. Etwas, das die Menschen bewegt. Klimawandel. Oder der Polizeiskandal. Oder, wenn Ihnen das mehr liegt, etwas über die Freundinnen unserer Spitzenpolitiker.«
»Und was bitte soll ich da machen?« Ich bin den Tränen nahe, es sind Tränen der Wut, ganz sicher, meine Güte, die Zusammenarbeit fängt ja gut an.
»Das ist ja nun wirklich Ihre Aufgabe, einen Zugang zu finden, der zum ›Magazin‹ passt.«
Ich bin geschlagen. Und ich weiß jetzt, was ich vom Neuen zu halten habe. So ein Bürschchen, das ein wenig in die Kameras und aus den Bildschirmen geglotzt hat, und schon glaubt er zu wissen, wie Journalismus läuft. Vom Rest der Redaktionskonferenz kriege ich kaum noch etwas mit, am Ende steh ich rasch auf und gehe, ohne mit jemandem zu reden, zu meinem Schreibtisch. Ich könnte kein höhnisches Grinsen ertragen.
Wieder am Computer, sehe ich mir die neuesten Meldungen der Nachrichtenagenturen an. Tatsächlich: Fusion des Unternehmens von Kurkow mit der ArgePlan. Sie hat schon seit Jahren in Russland Großbaustellen. Der Chef der ArgePlan spricht von »Synergien«, weist auf das enorme Bauvolumen in Russland hin, er wirkt rundum zufrieden. Fragen, ob er mit dieser Fusion nicht Einfluss auf oder Kontrolle über sein Unternehmen verliere, wehrt er ab. Er sei auf Expansionskurs und wolle es bleiben, dafür brauche man »strategische Partner«. Und: »Wer Russland hat, dem gehört die ganze Welt.« Ich male eine Reihe von Rufezeichen auf meine Schreibtischunterlage, danach eine Reihe von Fragezeichen und bemerke es erst, als mein Bleistift abbricht. Expansionsdrang. Macht. Geld. Die Österreicher nach Russland und die Russen nach Österreich. Die EU nach Asien und Asien mit Billigprodukten zu uns. »Wer Russland hat, dem gehört die ganze Welt.« Neuer Lebensraum im Osten. Expansionsträume. »Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt.« Mira, du kannst das nicht vergleichen. Es geht um nichts als Wirtschaftsinteressen, auch um Arbeitsplätze, hoffentlich zumindest. Trotzdem. Der Satz geht mir nicht aus dem Kopf. Und die Vorstellung, dass sich da ein paar Leute die Welt aufteilen oder zumindest danach streben, auch nicht.
Klimawandel. Wenn die Russen-Story ein alter Hut ist, dann ist das Thema Klimawandel prähistorisch. Alle Politiker quatschen davon, selbst George Bush hat es getan und dabei wieder einmal ausgesehen, als würde ihm gleich der Himmel auf den Kopf fallen. Vielleicht gehe ich weg vom »Magazin«, macht doch keinen Sinn mit so einem Chefredakteur. Aber mir ist klar, so groß ist die Auswahl an guten Journalistenjobs in unserem kleinen Land nicht. Und an sich ist mein Job sehr gut. Wer hat schon die Möglichkeit, sich auf große Reportagen zu konzentrieren?
Mein Mobiltelefon läutet. Eva. Weinviertler Winzerin. Freundin. Ich hab ihr auf die Mailbox gesprochen. Wir brauchen mindestens zwölf Flaschen von ihrem großartigen DAC . Und vielleicht noch Riesling, dazu einen Karton Merlot. »Mira da«, sage ich.
»Du hast mich angerufen«, erwidert Eva. »Ich bin momentan ziemlich im Stress, mein Kellermeister ist auf der
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