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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Das dumme Biest starrt mich an. Ich bin müde. Sieben Stunden Fahrt. Verdammt noch mal, gleich werde ich wütend. Oskar sieht mich mit einem warnenden Blick an. »Wenn du sie verschreckst …«, flüstert er.
    Ich richte mich auf und sage laut: »Wenn sie spinnt, lassen wir sie einfach da. Punkt.«
    »Gleich kommt sie«, flüstert Oskar. »Schöne Oliven fürs Kätzchen …«
    »Kätzchen« ist wirklich unangebracht, Gismo wiegt gute fünf Kilo, sie ist verfressen und störrisch und … Okay, ich hänge an ihr. Trick zwei. Ich gehe in die Küche und öffne die Kühlschranktür. Gismo bleibt im Eck sitzen, aber ihr Hals wird lang und immer länger, ihre Schnurrhaarspitzen vibrieren, der orangerote Streifen auf ihrer Brust scheint zu flackern. Ich krame im Kühlschrank und beobachte sie aus dem Augenwinkel. Leider gibt es nicht viel, was ich ihr als Leckerbissen verkaufen könnte. Ich nehme ein Stück ältlichen Käse, beiße ab, mache »mhm-mmmm«. Das ist für die charakterstärkste Katze zu viel. Sie springt auf und stelzt mit hoch aufgerichtetem Schwanz auf mich zu. Ich halte ihr den Käse hin, Oskar schleicht von hinten an sie heran, und schon hat er sie gepackt und setzt sie in den Korb. Gismo maunzt wütend auf – überlistet, Alte.
    Am nächsten Tag fahre ich so früh ins »Magazin«, dass ich mich auf die Redaktionssitzung vorbereiten kann. Ich will dem neuen Chefredakteur meine Russen-Story schmackhaft machen. Gestern Abend war ich zu faul, um noch ein wenig hinter Dolochow herzugoogeln, jetzt sitze ich in meinem Grünpflanzendschungel im Eck des Großraumbüros und will das nachholen, Dolochow hat offenbar wirklich gute Beziehungen zum russischen Präsidenten. Wie kommt man auch zu so einem Imperium, wenn nicht durch Beziehungen? Gar nicht so lange her, da hat in Russland alles allen gehört, zumindest auf dem Papier. Jetzt gehört es wenigen, und das ganz offiziell. Dolochow ist im Ölgeschäft, auch mit dabei bei der Erschließung von neuen Ölfeldern in der Arktis. Er hat mit Immobilienentwicklung zu tun und offenbar gerade rechtzeitig, bevor die Entscheidung für die Winterolympiade gefallen ist, viel Land rund um Sotschi gekauft. Seine Eltern waren Lehrer, lese ich. Seine Mutter hat Deutsch und Geschichte unterrichtet, sein Vater Literatur und Russisch. Also keine reichen Russen, wohl auch keine, die in der alten Parteihierarchie der U d SSR weit oben gestanden sind, aber solche mit Bildung, Boris Dolochow hat in Staats- und Wirtschaftswissenschaften promoviert, Auslandssemester in Berlin, Studienaufenthalt in London. Als er studiert hat, war es wohl nicht mehr so schwierig, ein Ausreisevisum aus der U d SSR zu bekommen. Vorausgesetzt, man galt als vertrauenswürdig. Ära Gorbatschow, Perestroika, Glasnost. Jetzt gibt es zwar freie Wahlen und auch eine wirtschaftliche Öffnung, aber von der Idee der Transparenz scheint wenig geblieben zu sein. Zu unbequem für die Mächtigen, wenn sie es bleiben wollen.
    Dolochows Vermögen wird auf vierzehn Milliarden Euro geschätzt. In Österreich hat er einen Vorvertrag mit der Stahl- AG abgeschlossen, man munkelt auch von einem Einstieg in die Bankenbranche.
    »Irgendwann fressen dich deine Pflanzen auf«, tönt es, und ich drehe mich weg vom Bildschirm. Droch kämpft mit dem Philodendron. Der hat hier optimale Bedingungen und wuchert, ich sollte ihn wohl ein wenig zurückschneiden. Droch befreit sich von einer langen Luftwurzel und rollt zu meinem Schreibtisch. Er ist unser journalistisches Aushängeschild beim »Magazin«. Hoch angesehener Politik-Redakteur, Mitglied der Chefredaktion, spöttisch, unbestechlich. Seit einem Einsatz als Kriegsberichterstatter in jungen Jahren im Rollstuhl. Ich bin eine der wenigen, die die wahre Geschichte kennen, wie es dazu gekommen ist. Droch und ich, wir mögen einander, eigentlich ist es viel mehr, wir schätzen einander, wir streiten miteinander, wir hängen aneinander und würden uns gegenseitig nie im Stich lassen. Freundschaft nennt man so etwas wohl, und darauf bin ich stolz, viele Freunde lässt sein skeptischer Verstand nicht zu. Nur Zuckerbrot gibt es da noch, den langjährigen Leiter der Mordkommission 1, Freund aus gemeinsamen Jugendtagen, Droch ganz junger Chronik-Reporter, Zuckerbrot ganz junger Kriminalpolizist. Die beiden gehen seit Jahrzehnten einmal pro Woche miteinander essen. Berufliches wird dabei strikt ausgeklammert. Ihre Konsequenz hat mich manchmal schon zur Weißglut getrieben. Ab und zu brauchte ich

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