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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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zwei waren. Mein Bruder ist kein Schwächling, einer allein kann ihn schwer an einen Stuhl fesseln.«
    »Außer, man hat ihn zuvor betäubt.«
    »Das sollen Behörden herausfinden«, meint der Oligarch.
    »Vermuten Sie die Täter in Österreich?«, will ich wissen.
    Dolochow wiegt zweifelnd den Kopf. »Mein Bruder ist nicht immer den geraden Weg gegangen, wie man so sagt. Wer ihn weghaben wollte, ist schwer zu sagen.«
    Ich hole tief Luft. »Ich würde gerne in der nächsten Ausgabe des ›Magazins‹ ein Interview mit Ihnen bringen, natürlich autorisiert, nur das, was Sie drin stehen haben wollen.« Ich ziehe mein Aufnahmegerät aus der Jackentasche.
    Dolochows Gesichtsausdruck verändert sich kaum, er lächelt weiter, bloß der Mund wird etwas schmaler dabei, und auf seiner Stirn zeigt sich eine steile Falte. »Ausgeschlossen. Tun Sie das wieder weg.« Er deutet auf mein Gerät.
    »In Österreich ist es besser, sich den Medien zu stellen«, sage ich sanft.
    »Was besser ist, weiß ich selbst.« Und mit einem eindeutig spöttischen Lächeln fährt er fort: »Ich kenne Europa. Ich mache seit mehr als zehn Jahren internationale Geschäfte. Mein Geschäft in Österreich ist nicht besonders wichtig, das Volumen betreffend, aber es ist für mich strategisch interessant. Und ich lasse mir nicht gerne in meine Strategien pfuschen.«
    Ich stecke das Gerät wieder ein. »Haben Sie mit Ihrem Bruder zusammengearbeitet?«
    Dolochow lacht und sieht auf die Wodkaflasche. Ob er doch einen Schluck möchte? Er würde es sagen. »Nein, wirklich nicht. Wir sind ganz andere Wege gegangen, auch wenn meine Mutter …«
    »Die wollte das?«
    »Familie, liebe Frau Journalistin, funktioniert in Moskau und in Wien nicht viel anders.«
    »Was haben Sie über die Geschäfte Ihres Bruders gewusst?«
    Er sieht mich misstrauisch an. »Das alles ist nicht zum Veröffentlichen. Wenn Sie es tun, geht es Ihnen schlecht.«
    Die erste offene Drohung. Fast bin ich erleichtert. Was es wohl bedeutet, dass es mir dann schlecht geht?
    »Ich habe sehr gute, teure Anwälte«, präzisiert der Oligarch.
    Und vielleicht nicht nur die, füge ich in Gedanken hinzu.
    »Ich habe nichts über die Geschäfte meines Bruders gewusst, ich bin ein viel beschäftigter Mann. Ich habe ihm bloß einige Male … wie sagt man … aus der Patsche geholfen. Aber einmal zu wenig.«
    Wer sagt mir eigentlich, dass nicht genau dieser Wassili Dolochow vor mir steht?
    »Woher weiß ich, dass Sie Boris Dolochow sind?«, frage ich.
    Er lächelt beinahe gütig. »Eine gute Frage. Sie werden es mir wohl glauben müssen. Es gibt keinen Leberfleck, an dem man mich von meinem Zwillingsbruder unterscheiden könnte. Und wer sieht den Charakter schon von außen?«
    »Sie waren immer schon verschieden?«
    Dolochow steht auf. »Ich habe keine Zeit mehr. Ich wollte nur klarmachen, dass ich für meine Geschäfte keine Publicity brauchen kann.«
    »Und dann suchen Sie sich ausgerechnet Sorger aus für den Bau der Kapelle?«
    »Das war ein Fehler meiner Leute vor Ort. Wir alle machen Fehler. Es ist nur die Frage, wie man damit umgeht.«
    Okay, bevor er mir davonläuft: »Ich habe Sie am Arlberg gesehen, im ›Zirben‹. Da ging es auch um solche Geschäfte, die keine Publicity brauchen, nicht wahr?«
    Dolochows Gesicht verzieht sich. »Ich war am Arlberg, vor einem Jahr. Üblicherweise sind wir in St. Moritz. Mit Familie. Ski laufen. Was wollen Sie damit? Da waren keine Geschäfte.«
    »Es ist rund zwei Wochen her. Wenn es Ihr Bruder war – haben Sie eine Ahnung, was er dort wollte? Welche Geschäfte ›Direktinvest‹ in Österreich betrieben hat?«
    »Ich wusste nicht, dass er am Arlberg war. Und von dieser Firma habe ich zum ersten Mal in Ihrem Artikel gehört. Sie existiert übrigens nicht in Russland, das habe ich klären lassen.«
    Ich seufze. »Sie ist auch hier nicht gemeldet.«
    »Ich weiß.« Für einen Moment wirkt Dolochow ratlos, verunsichert, menschlich. Er tut mir leid, immerhin ist sein Zwillingsbruder ums Leben gekommen.
    »Wie gut konnte Ihr Bruder Deutsch?«
    Dolochow sieht mich erstaunt an. »Warum?«
    »So gut wie Sie?«
    »Meine Mutter wollte, dass wir beide perfekt Deutsch lernen. Sie hatte deutschsprachige Vorfahren. Sie liebt deutsche Literatur. Wassili war nicht besonders begabt. Und irgendwann hat er den Standpunkt vertreten, Deutsch sei die Sprache von den Feinden. Eine Ausrede, in Ausreden war er immer gut. Warum fragen Sie?«
    »Ihr Bruder ist mit einer jungen Russin,

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