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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Sohn zweifellos angesteckt.
    Jana lächelt mir zu. »Cool, das mit dem Treffen«, sagt sie. »Ein echter Oligarch bei uns daheim.«
    »Bruno und Slobo sind in der Wohnung drüben. Haben Handy und warten auf Anruf, falls etwas los ist. Sie sind nicht mehr ins Zimmer hineingegangen«, erklärt Vesna. Ich muss grinsen. Das Zimmer hat kaum zehn Quadratmeter, da ist wirklich kein Platz für die beiden bosnischen Kleiderschränke. Könnten sie mich im Fall der Fälle verteidigen? Ich habe den Eindruck, sie erledigen ihre Arbeit vor allem mittels ihrer Statur. Viele werden schon lammfromm, wenn sie die Einhundertzwanzig-Kilo-Männer bloß sehen. Ach was, ich werde sie nicht brauchen.
    »Countdown zehn Minuten«, sagt Vesna. Ich will mich darüber lustig machen, aber mein Herz macht gerade einen seltsamen Satz und ich versuche stattdessen, tief ein- und auszuatmen.
    Vesna hängt am Fenster, ich knapp hinter ihr. Der Mercedes biegt auf die Minute pünktlich ums Eck. Dolochow steigt vor dem Haus aus, sieht nach oben. Es ist der, den ich am Arlberg gesehen habe. Sicher. Nein. Der ist tot. Oder? Vesnas Schild: »Sauber! Reinigungsarbeiten aller Art.« Ich hoffe, das gibt ihm nicht zu denken.
    Er läutet, und wir zucken beide zusammen.
    »Du wartest hier«, befiehlt Vesna. Als ob wir das nicht alles besprochen hätten. Sie hat zwar keinen richtigen Strahlendetektor auftreiben können, aber einen alten Geigerzähler, ich hoffe, er löst keinen falschen Alarm aus. Sie will Dolochow oder wer immer es ist, wenigstens oberflächlich kontrollieren, bevor er zu mir darf. Und was, wenn er sie über den Haufen schießt? Vesna hat auf diese Frage bloß gelächelt. »Ich habe Instinkt. Ich habe Krieg überlebt. Und ich bin schnell.« Sie ist wegen des Krieges aus Bosnien geflüchtet.
    Ich stehe neben dem mittelbraunen Resopaltisch mit den zwei abgeschabten Sesseln. Vesna wollte die schönen aus ihrem Wohnzimmer holen, aber ich habe es ihr ausgeredet. Auf dem Tisch stehen Gläser, Wasser, Wodka. Das hat sie sich nicht nehmen lassen. Egal. Soll ich mich setzen und, wenn er kommt, gelassen aufstehen? Doch da geht schon die Tür auf.
    »Bitte«, sagt Vesna, zwinkert mir zu, was immer das heißt, und schließt die Tür hinter sich. Der Mann vor mir gleicht dem am Arlberg wirklich aufs Haar. Selbst die Frisur ist gleich. Er lächelt, mustert mich mit grauen Augen. Graue Augen wirken immer kalt, sage ich mir zur Beruhigung. Wir geben einander die Hand. Das hat Vesna nicht verboten. Ich deute auf einen der Sessel und mustere ihn weiter: brauner Leinenanzug, blaues Hemd, keine Krawatte. Sehr gute, teure Schuhe. Wir setzen uns, noch immer ohne zu reden.
    »Ihre Mutter hat Deutsch unterrichtet, nicht wahr?«, beginne ich das Gespräch.
    Dolochow lächelt. »Sie sind gut informiert.« Er kann tatsächlich sehr gut Deutsch. Nur das R rollt er auf russische Art.
    Ich zucke so lässig wie möglich mit den Schultern. »Ich bin Journalistin.«
    »Und keine ganz unbekannte«, erwidert er. Sein Lächeln hätte ich unter anderen Umständen wohl als charmant empfunden. So aber versuche ich mich darauf zu konzentrieren, dass er mir nichts in die Hand drückt, was verstrahlt sein könnte.
    »Wodka?«, frage ich und deute auf die Flasche. »Meine Freundin hat gemeint, der gehöre zu einem Treffen wie diesem einfach dazu.«
    »Nicht vor Sonnenuntergang. Wasser gerne.«
    Ich schenke uns ein. Merke, wie trocken meine Kehle ist, trinke.
    Dolochow sieht mich konzentriert an. »Ich stehe vor dem Abschluss eines Kooperationsvertrages mit der Stahl- AG . Ich kann keine falsche Publicity brauchen. Ich bin schon ärgerlich genug, dass die Sache mit der Kapelle für meinen Großvater öffentlich geworden ist.«
    »Das fällt wohl unter positive Propaganda«, lächle ich.
    »So etwas brauchen meine Geschäfte nicht. Außerdem ist das eine Privatsache. Da mag ich keine Öffentlichkeit. Ich dachte, das Foto kommt nur in einer kleinen Zeitung in der Region. Ich wollte nicht unhöflich sein.«
    Sieht so aus, als betrachte er den Tod seines Bruders in erster Linie als ärgerlichen geschäftlichen Zwischenfall.
    »Der Tod Ihres Bruders muss Sie hart getroffen haben«, heuchle ich.
    Dolochow sieht mich prüfend an. »Natürlich. Er ist mein Bruder. Ich habe dafür gesorgt, dass die russischen Stellen eng mit den österreichischen zusammenarbeiten. Man muss die Täter so rasch als möglich finden.«
    »Die Täter?«, frage ich. »Oder den Täter, aber es ist wahrscheinlich, dass es

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