Russen kommen
einen Liegestuhl auf der Dachterrasse gefesselt. Der Tod trat im Laufe des Sonntags durch Herzversagen ein.«
Ich rechne. Also zwei Tage, bevor Boris Dolochow ins Weinviertel gefahren ist.
»Über die Geschäfte der Firma ›Direktinvest‹ lässt sich noch nicht viel sagen, es scheint um Immobilieninvestitionen im Großraum Moskau zu gehen.«
Der Pressesprecher: »Gibt es noch Fragen?«
»Das war alles?«, ruft ein Kollege vom »Blatt«, der größten, wenn auch nicht gerade besten Tageszeitung des Landes.
»Stehen Sie in Kontakt mit den russischen Behörden?«, will ein österreichischer Fernsehreporter wissen.
Zuckerbrot nickt. »Wir stehen in ständigem Kontakt, und die Zusammenarbeit läuft hervorragend.«
Eine junge Journalistin, die ich nicht kenne, fragt: »Ist auch der russische Geheimdienst involviert?«
Einige meiner Kollegen sehen sich um, als würden die vermutlichen Geheimdienstler gleich ihre Waffen ziehen.
»Wir arbeiten mit den zuständigen Behörden zusammen«, erwidert Zuckerbrot trocken.
Ich hebe die Hand, der Pressesprecher versucht es zu ignorieren. Ich rufe trotzdem: »Ist Wassili Dolochow gefoltert worden, bevor er starb?«
Nachdem ich es ja bereits geschrieben habe, kann ich es mir doch noch einmal bestätigen lassen. Außerdem ärgert mich, wie sehr die Polizei versucht, den Fall herunterzuspielen.
Alle drehen sich zu mir um. Auch Kameras richten sich auf mich.
Zuckerbrot sieht mich unfreundlich an. »Das müssen gerade Sie ja wissen.«
»Ist er oder ist er nicht?«
»Ja«, sagt Zuckerbrot unwillig. »Es scheinen Zigaretten auf seinen Armen ausgedrückt worden zu sein.«
Der Journalist vom »Blatt« meldet sich wieder: »Wie kann es sein, dass ausgerechnet Valensky von diesem Mord erfahren hat? Könnte es sein, dass Sie ihr einen Tipp gegeben haben?«
Mir bleibt der Mund offen. Dieser Kotzbrocken. Das lasse ich mir nicht gefallen. »Nur weil du zu blöd …«
Zuckerbrot übertönt mich mit dem Saalmikro und sagt kühl: »Das ist ein Vorwurf von strafrechtlicher Relevanz. Wer so einen Vorwurf erhebt, muss ihn beweisen oder könnte selbst Probleme bekommen. Selbstverständlich habe ich Frau Valensky keinen Tipp gegeben. Der Eigentümer der Wohnung stand in Verbindung mit dem Chefredakteur des ›Magazins‹. Es wird noch geprüft, ob die Mitarbeiter des ›Magazins‹ unverzüglich die Polizeidirektion kontaktiert haben, anderenfalls haben sie mit entsprechenden Verfahren zu rechnen.«
Ich ertappe mich dabei, wie ich wütend den Kopf schüttle. Ich versuche, ruhig zu wirken, spöttisch dreinzusehen. Ich merke, wie viele Augen und Kameras auf mich gerichtet sind. »Das, was ich gemacht habe, nennt man Recherche«, sage ich dann.
Es ist kein Weiterkommen. Die Pressekonferenz ist zu Ende, aber einige ausländische Kollegen wollen von mir Interviews, Informationen, Tipps. Auch eine russische Fernsehanstalt ist dabei. Ich konzentriere mich darauf, bloß das zu erzählen, was ich geschrieben habe. Viel mehr weiß ich ohnehin nicht. Ich muss weg. Ich darf nicht zu spät kommen zu meinem Treffen mit Dolochow. Wenn die wüssten … Ich schenke meinem Kollegen vom »Blatt« ein ganz süßes Lächeln. Er hat mit Sicherheit einen ziemlichen Rüffel bekommen, weil er von dem Mord keine Ahnung hatte. Obwohl er und seine Kollegen ständig den Polizeifunk abhören. Und mit Polizisten saufen gehen.
Mir kommt ein unangenehmer Gedanke: Was, wenn mich jemand von der Journalistenmeute verfolgt? Aber wer sollte das tun? Und wenn, sehen sie auch nur, dass ich Vesna besuche.
Und schon fragt ein deutscher Kollege: »Wohin gehen Sie jetzt? Was haben Sie vor?«
Ich strahle ihn an. »Ich treffe mich mit meiner Freundin Vesna Krajner. Sie hat ein Putzunternehmen, und ich hätte es endlich gern wieder einmal so richtig sauber.«
Sie glauben mir nicht. Das ist gut so.
[ 5 ]
V esna bringt mich miternstem Gesicht ins Büro und zeigt nach oben. In eine Ecke. Ich sehe nichts.
»So klein ist Kamera hinter Vorhangstange«, sagt sie stolz.
Ich weiß nicht, ob das mit der Videoüberwachung eine gute Idee ist. Auf der anderen Seite … ein gewisser Schutz … Ich bin nervös. Ich muss es zugeben. Vesna führt mich ins Hinterzimmer, in dem sie momentan wohnt. Fran hat seinen leistungsstarken Laptop aufgebaut, er und Jana hocken auf dem Bett, den Computer auf einem Klapptischchen vor sich. »Wenn etwas passiert, habe ich sofort die Polizei dran. Ist alles eingespeichert«, sagt er. Vesna hat ihren
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