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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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ermordet haben?«, fragt er.
    Erinnert mich ein wenig an Agatha Christies »Mord im Orient-Express«. Viele, die jemanden gemeinschaftlich ermorden. Ich nicke trotzdem. »Eine andere Möglichkeit: Man wollte ihn bei ›Direktinvest‹ loswerden. Er war nur als Dolochow zur Vertrauensbildung nützlich, dann hat man ihn nicht mehr gebraucht. Vielleicht war es dieser Sachow, der nirgendwo zu finden ist.«
    »Oder man hat auch den erledigt.« Klaus Feldner sieht erschrocken auf. »Jetzt rede ich schon wie in einem Film ›Erledigt‹.«
    Ich lächle. »Kein Wunder. Die dritte Möglichkeit: Die Investitionen von ›Direktinvest‹ waren real, aber sie standen einer anderen Firma im Weg. Ich nehme einmal an, dass bestimmte Immobilien in Russland heiß umkämpft sind. In Moskau. Rund um Sotschi. Sicher auch in Gegenden, wo Erdöl vermutet wird.«
    »Da gibt es übrigens eine hübsche Verbindung zu unserer Klimawandel-Geschichte«, unterbricht mich Feldner. »Jetzt streiten einige Staaten, Kanada, Dänemark, die USA , aber auch Russland um das Recht auf den Nordpol, unter dem riesige Erdgas- und Erdölvorräte vermutet werden. Dabei könnte man sie momentan gar nicht nutzen, zu viel Eis. Aber da Klimaforscher prognostizieren, dass das Eis am Nordpol in zwanzig Jahren weitgehend geschmolzen ist, möchte man rechtzeitig den Besitzanspruch stellen.«
    »Denen käme die Klimaerwärmung also mehr als gelegen.« Ich grinse. »Wer weiß, vielleicht kriegen unsere Politiker von ihnen Geld, wenn sie eine neue Autobahn bauen. Und sie selbst fahren wahrscheinlich extrastarke Autos, um möglichst schnell ans Erdöl zu kommen. – Wenn es bloß um die Temperatur geht – die könnte auch für mich ruhig um ein paar Grad steigen.«
    Feldner schüttelt den Kopf. »Aber wenn man an das Ganze denkt, an die Zusammenhänge …«
    »Sie dürfen mich nicht immer ganz ernst nehmen«, lache ich, »manchmal rede ich mehr Unsinn, als in meinem Alter erlaubt ist.«
    Klaus Feldner sieht mich an. Freundlich. »Warum sollten wir in unserem Alter nicht auch ab und zu Unvernünftiges tun?«
    Ich räuspere mich. »Danke für ›in unserem Alter‹. Sie sind zehn Jahre jünger als ich.«
    »Tatsächlich?« Es klingt, als wäre er wirklich überrascht.
    »Für so etwas reichen meine Recherchefähigkeiten allemal.«
    Feldner seufzt. »Ich möchte gar nicht wissen, was über mich geredet wurde, als klar war, dass ich Chefredakteur würde.«
    »Nur das Beste«, scherze ich.
    »Auch wenn Sie manchmal nicht ganz die Wahrheit sagen und ich offenbar der Jüngere bin: Können wir du zueinander sagen? Ich war es so gewohnt in der Redaktion beim Fernsehen, hier muss ich meine Freunde und Kontakte erst finden, in meiner Position ist das plötzlich nicht mehr so einfach, ich weiß …«
    Ich überlege. Sollte er mich ganz gezielt als Vertraute auf seine Seite ziehen wollen? Mich als Bindeglied zur Redaktion einsetzen? Mich über das aushorchen wollen, was intern so läuft? Quatsch. Wenn es so ist, werde ich es schon merken. Hoffentlich. Er ist ein sympathischer Journalist, der bei uns noch ziemlich alleine dasteht. Und der rasch Rückgrat bewiesen hat. Wäre er nicht Chefredakteur, wären wir längst per Du. Und seit wann lasse ich mich durch Hierarchien an etwas hindern?
    Ich lächle. »Dann brauchen wir aber noch ein zweites Glas Pinot Grigio.«
    Wir gehen plaudernd durch das Großraumbüro. Wie immer wird alles, was geschieht, von den meisten meiner Kollegen neugierig verfolgt. Kein Wunder, Neugier ist eine Berufsvoraussetzung. Ich habe dem Chefredakteur – Klaus, ich muss mich erst daran gewöhnen – versprochen, die Namen zu zeigen, die ich rund um Dolochow und ›Direktinvest‹ recherchiert habe. Von meinem Gespräch mit dem Oligarchen weiß er immer noch nichts, daran kann auch kein Du-Wort etwas ändern.
    Wir lachen, als ich einige große Philodendronblätter zur Seite schiebe, ich habe ihm gerade erzählt, wie ich den ehemaligen Chefredakteur einst bei einem Selbstfindungsseminar im Weinviertel überrascht habe. Vor uns Droch. Er dreht seinen Rollstuhl in unsere Richtung. »Das war aber ein ausgiebiges Mittagessen«, sagt er. »Ich hab keine Zeit mehr.« Er drängt sich an uns vorbei.
    »Droch«, rufe ich. Aber er scheint es nicht mehr zu hören.
    Klaus sieht mich betreten an. Ich zucke mit den Schultern und versuche ein Lächeln. »Manchmal ist er etwas ruppig. Aber er ist einer, auf den man sich verlassen kann«, sage ich dann. Es kommt mir falsch vor. Bin

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