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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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ich dabei, Droch für den neuen Chefredakteur zu verraten? Unsinn. Droch hat kein Exklusivrecht auf mich. Das hat niemand. Und trotzdem beschleicht mich das Gefühl, dass mir neue Schwierigkeiten bevorstehen.
    »Soll ich gehen?«, fragt der Chefredakteur.
    »Natürlich nicht. Wir wollten die Namen durchsehen.«
    Gegen Abend treffe ich Vesna beim Würstelstand neben der Oper. Sie trägt ein elegantes schwarzes Schlauchkleid. Muskulös und schlank, wie sie ist, steht es ihr hervorragend. Trotzdem ist mir Vesna in Jeans und T-Shirt vertrauter, näher.
    »Ich muss mit Valentin in die Oper«, erklärt sie. »Oper ist nicht ganz mein Fall. Die Musik geht ja, aber dann denkt man über Handlung nach und was alles nicht logisch ist. Man kann nicht so lange singen, wenn man schon Messer in der Brust hat, alles so etwas, und wenn man Unlogik erkennt, ist man abgelenkt. Und man wird müde. Aber ich habe ihm versprochen. Ich habe mich in U-Bahn-Toilette umgezogen.« Sie deutet auf die große Umhängetasche. »Das geht mit diesem Kleid gut, verdrückt sich nicht. Ich habe bis jetzt diesen Welser beschattet. Ist eher langweiliger Mensch, sage ich dir. Ist schon zu Hause. Slobo passt weiter auf, aber ich glaube nicht, dass er noch einmal weggeht. Sonst hätte ich auch besseren Aufpasser gesucht. Slobo ist etwas ungeschickt. Vielleicht, weil er so groß ist.«
    »Und?«
    Vesna schüttelt den Kopf. »Ich kann natürlich nicht wissen, was er am Telefon redet, leider. Aber kein direkter Kontakt mit Polizei oder mit jemand, den wir im Russen-Fall kennen. Er geht in der Früh auf Universität. Er hält Vorlesung. Er hält Seminar. Er sitzt im Büro. Er bereitet einen Vortrag vor, den er in zwei Wochen in München halten soll. Er schreibt an Überarbeitung von einem Lehrbuch. Er trifft Studentin, die eine Arbeit schreibt. Mittagessen bringt die Sekretärin.«
    »Und wenn es doch noch einen anderen Professor Welser gibt? Oskar kennt ihn und hat ihn im ›Sonnenhof‹ nicht gesehen.«
    Vesna schüttelt den Kopf, will sich nicht unterbrechen lassen. »Habe Welser am Arlberg auch nicht gesehen, sicher nicht. Jedenfalls: Sekretärin sagt, so lebt er jeden Tag. Wenn er nicht …«, sie sieht mich triumphierend an, »… wenn er nicht am Arlberg Ski fahren ist. Er war dort. Vielleicht hat er sich vor Oskar versteckt. Oder es war Zufall, ihr wart nur drei Tage dort. Ich nur einmal über Nacht. – Jedenfalls: Er hat ein Reihenhaus, nicht besonders teuer. Lebt sparsam, bis auf Urlaub, und der ›Sonnenhof‹ ist nicht das teuerste Hotel in Zürs, hat keine Freundin.«
    »Wer weiß, ob das seine Sekretärin mitbekommen würde. Wenn er einen Hang zur Heimlichtuerei hat …«
    »Deswegen er wird beschattet. Noch habe ich nichts von Frau gesehen.«
    »Wie sieht er eigentlich aus?«
    Vesna hält mir wortlos ihr Telefon hin, klickt auf zwei Tasten. Mann mit grauem Bart, graue, mittellange Haare, schwarze Brille, schmales Gesicht, roter Pullover. Ich schätze ihn auf Anfang fünfzig. Leider habe ich ein miserables Personengedächtnis, ich könnte nicht sagen, ob ich ihm im ›Sonnenhof‹ begegnet bin. Eher nicht. Aber andererseits … War da nicht einmal so ein Mann mit grauem Bart an der Rezeption?
    »Ist einundfünfzig«, sagt Vesna. »Frau hat ihn verlassen vor zwei Jahren, sie ist Chefärztin, warum sie gegangen ist, weiß Sekretärin nicht.«
    »Wie hast du das alles aus ihr herausbekommen?«
    »War nicht schwierig. Sie redet gerne, hat nicht so viel Gelegenheit dazu im Job, Arbeit ist eher etwas langweilig, wenn auch ruhig und angenehm. Sie hat am Nachmittag Kaffee geholt, und ich habe mit ihr geplaudert.«
    »Als wen hast du dich ausgegeben?«
    »Habe ich gesagt, habe ich Tochter, die jetzt zu studieren beginnt. Ist ja Wahrheit, auch wenn Jana Psychologie studiert. Leider. Recht wäre praktischer.«
    Ich sehe, wie immer mehr elegant gekleidete Menschen in die Oper strömen. Vesna blickt auf die Uhr. »Noch etwas: Fran hat diesen Jürgen Flemming gefunden. Er ist aus Deutschland. Leipzig. Hat eine Computerladen-Kette, viel Persönliches ist nicht über ihn im Netz. Hat gleich nach der Wende mit Computern angefangen, Firma hat rasch expandiert. Er wirbt mit totalem Service, Leute von ihm kommen, bauen neue Festplatte ein. Wenn etwas kaputt ist, reparieren sie vor Ort oder nehmen Gerät mit und geben einem Ersatzgerät. Klingt gut. Fran hat aber gemeint, die großen Computeranbieter sind billiger. Und heute kennen sich schon fast alle gut aus mit

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