Russen kommen
momentan nicht reinkomme. Weil zweiten Namen, Jürgen Flemming, gibt es in Wien nicht, habe auch meine Freunde, sie haben im Einwohnerverzeichnis nachgesehen.«
Damit ist es eigentlich klar: Oskars Professor dürfte tatsächlich der Gesuchte sein. Vesna ist begeistert, als sie hört, dass Oskar ihn kennt. »Da kann er ihn ganz unauffällig ausfragen.« Sie habe sich jedenfalls heute »Zeit gemacht«, sie werde diesen Welser beschatten. Und sie werde schauen, wo ihr Sohn steckt. »Soll ruhig auch etwas arbeiten, nicht nur studieren und Mädchen Kopf verdrehen.«
Ich denke mir, dass der schlaue Fran nicht einmal von Vesna so leicht zu finden ist, wenn er es nicht möchte. Aber er hängt an seiner Mutter und wird nicht lange untertauchen. Außerdem: Im Internet kann auch ich nach diesem Jürgen Flemming suchen. Zumindest bei den Quellen, die uns normalsterblichen Usern zugänglich sind.
Ich sitze in meinem Nachtshirt vor Oskars Computer, als er aus dem Schlafzimmer kommt. Oskar runzelt die Stirn. »Schon wieder etwas passiert?«, fragt er mich.
Dass wir Welser observieren wollen, dürfte ihm nicht gefallen. »Nein, gar nichts«, sage ich so harmlos wie möglich. »Vesna hat mich nur auf die Idee gebracht, dass ich nach diesem anderen Skifahrer auch im Internet suchen kann.«
Als mich Oskar zum Frühstück ruft, flimmern mir die Buchstaben vor den Augen. Gefunden habe ich in der Masse möglicher Informationen aber nichts. Es gibt einen Designer, einen Regisseur und einen Autor namens Jürgen Flemming – die alle scheinen es nicht gewesen zu sein. Der eine ist wohl schon zu alt zum Skifahren, der andere war zur fraglichen Zeit in Rom. Der Dritte in Südamerika. Hoffnungsvoll habe ich sogar die Einträge auf den Seiten sieben, acht und neun durchsucht, aber da kommt in elendslangen Texten nur irgendwo Jürgen und irgendwo Flemming vor, und ich gebe es auf. Soll Fran schauen, dass er einen Jürgen Flemming findet, der am Arlberg war.
Ich fahre in die Redaktion. Der Chefredakteur lädt mich zum Mittagessen ein. Ich freue mich darüber, vielleicht habe ich ihn zu Beginn falsch eingeschätzt. Auch Menschen mit einem hübschen Fernsehgesicht können gute Journalisten sein. Und Mut haben. Im Großraumbüro ist unsere Titelgeschichte noch immer Tagesgespräch. Peter soll weiter an den Polizeibehörden dranbleiben, er ist stolz darauf, mit dabei zu sein, auch wenn Zuckerbrot und Co weiter abblocken. Ich erzähle ihm, dass ich am Arlberg war, Details behalte ich allerdings für mich. Und über mein Treffen mit Dolochow schweige ich. Muss ich schweigen. Wie kann ich verwenden, was der Oligarch mir erzählt hat? Es geht nicht um seine Drohung mit Anwälten, es ist auch sonst nicht meine Art, Interviews oder Zitate zu bringen, bei denen die Zustimmung des Betreffenden fehlt. Zumindest üblicherweise mache ich so etwas nicht. Was hat er gesagt? »Sonst geht es Ihnen schlecht« oder so. Ich werde auch dem Chefredakteur nichts von diesem Gespräch erzählen, obwohl ich mit diesem Geheimtreffen wohl in seiner Achtung steigen würde. Nehme ich einmal an.
Als ich mit Feldner in einem kleinen italienischen Restaurant sitze, reden wir zuerst gar nicht über den Fall. Er erzählt, wie er über sein abgebrochenes Geschichtsstudium und einen Ferienjob zum Fernsehen gekommen ist, damals als Aushilfsnachrichtenschreiber. Und ich erzähle ihm von meiner Zeit als Lifestyle-Journalistin beim »Magazin« und von unserem ehemaligen Chefredakteur. Der Branzino in Salzkruste, eines meiner absoluten Lieblingsgerichte, schmeckt großartig, und ich kann mir gar nicht vorstellen, noch gestern in Zürs gewesen zu sein, über mir der Helikopter, immer näher, unter mir der Schneematsch, rund um mich weiße Bergwände. Erbarmungslos.
Ich lasse mich zu einer Panna Cotta überreden, an sich bin ich keine, die Desserts besonders mag, aber es täte mir leid, wenn das Mittagessen schon zu Ende wäre. Ich würde auch noch ein zweites Glas Pinot Grigio nehmen. Aber das wirkt wohl nicht so gut. Ich darf nicht vergessen, dass mir mein Chefredakteur gegenübersitzt und nicht irgendein attraktiver Mittdreißiger, der nichts anderes möchte, als mit mir zu essen, mit mir zu plaudern und mich besser kennenzulernen.
Beim Kaffee reden wir dann doch über die Russen-Geschichte. Ich erzähle ihm, was ich am Arlberg erfahren habe, und davon, was noch zu recherchieren ist.
»Wenn Anleger betrogen wurden – könnte es nicht sein, dass sie sich zusammengetan und ihn
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