Russische Freunde: Kriminalroman
Fresse, ich hab mich echt gut angeschlichen, kein Zweig hat geknackt«, bewunderte Korhonen seine Leistung. »Ich bin in die Sauna gegangen, hab so getan, als wollte ich Holz nachlegen, aber dann bin ich durch das Fenster im Waschraum rausgeschlüpft. Auf nackten Füßen. Und natürlich wuchsen da Brennnesseln, zum Teufel! Aber ich bin euch nachgetapst, trotz der unerträglichen Qual. Und ich hab mich nicht umsonst auf meine Nase verlassen. Die riecht jeden Gauner«, prahlte er und ließ zugleich Dampf ab.
»Danke, Korhonen. Und jetzt komm mal zur Ruhe. Karpow und ich haben noch was zu bekakeln«, dämpfte ich ihn und befahl Sergej, sich auf die Erde zu setzen.
»Danke!«, schnaubte Korhonen. »Ein bisschen mehr Gefühl hätte ich schon erwartet.«
»Jetzt pass auf den Kerl auf!«, giftete ich. Korhonen setzte eine verdrossene Miene auf, richtete sein Sturmgewehr aber gehorsam wieder auf Sergej.
Die Sonne war hinter den Fichten verschwunden und hatte uns im Schatten zurückgelassen. Es wurde allmählich kühl. Karpow stand ausdruckslos da, ließ die Arme locker herunterhängen.
»Warum?«, fragte ich erneut. »Du hast doch hier gute eigene Geschäfte. Und du hättest sie alle ganz allein für dich bekommen. Ich hätte auf meine Anteile verzichtet. Wenn du nur was gesagt hättest.«
»Wenn ich gebettelt hätte … um eine milde Gabe.«
»So habe ich es nicht gemeint.«
»Sicher nicht. Aber es wäre trotzdem ein Almosen gewesen.«
»Hat Lena dir das eingeredet? An einer Frau sind schon viele Freundschaften zerbrochen«, versuchte ich zu lachen.
»Nein. Aber Lena ist auch so ein Fall. Du hast ihr Leben durcheinandergebracht und bist dann mir nichts, dir nichts verschwunden.« Auch Karpows Augen klagten mich an.
Wir standen uns schweigend gegenüber.
»Aber du warst mein Freund«, hielt ich ihm schließlich entgegen.
»Dein Freund? Ich war immer nur eine Art Gehilfe oder Adjutant. Du hast es für selbstverständlich gehalten, dass ich irgendwo im Hintergrund bereitstehe, um dich zu unterstützen.«
Ich schüttelte den Kopf. So sei es nicht gewesen, behauptete ich und erklärte hilflos stammelnd meinen Standpunkt. Ich bat Karpow, mir zu glauben, dass ich mich nicht für unantastbar hielt. Man dürfe mich durchaus mal anrempeln. Und Waren gebe es genug auf der Welt, für Geld bekomme man neue. Doch Menschen, die man liebt, könne man nicht neu kaufen. Diese Menschen dürfe man nicht in Gefahr bringen, nur wegen unserer Geschäfte und unserer Beziehung. Waleri habe einen schlimmen Fehler begangen, indem er Marja bedrohte. Das sei schwer zu vergeben und kaum wiedergutzumachen. Es sei mir zwar gerade noch gelungen, Marja und mich zu retten, aber meinen Freund würde ich verlieren.
Karpow hörte mir zu, sagte aber nichts. Er protestierte nicht, gab aber auch nicht zu, dass er mich verstand.
»Vom Guten zum Bösen ist es nur ein Schritt. Du bist schwach geworden«, sprach ich weiter.
»Ach, Viktor. Den Sermon hast du einstudiert, vor dem Spiegel aufgesagt«, höhnte Karpow.
Ich packte ihn im Nacken und zog seinen Kopf so nah heran, dass seine Stirn beinahe an meine stieß. Ich spürte seinen Atem auf meiner Haut, wusste, dass mir auch sein Geruch vertraut war. Aus der Nähe sah ich das kleine, ängstliche Flackern in seinen Augen.
»Komm nie mehr nach Finnland, auch nicht nach Sortavala, ach was, nach ganz Karelien nicht. Ich verbanne dich. Hast du kapiert?«, flüsterte ich und schüttelte Waleri sanft. »Und denk jeden Tag daran, dass du mich verraten hast.«
Korhonen zerriss die andächtige Stille. »Wie herzig. Gleich weint der eine«, frotzelte er, verlegte sich dann aber aufs Jammern. »Scheiße, wie das juckt und brennt«, fluchte er über die Brennnesselquaddeln. Er stand schwankend auf einem Bein und schubberte sich mit den Zehen des freien Fußes den Knöchel.
Ich setzte zu einer Warnung an, doch da sprang Sergej schon auf, brachte Korhonen zu Fall und warf sich auf seinen Rücken. Das Sturmgewehr lag quer unter den beiden.
Der blonde Russe versuchte einen Ringergriff anzubringen. Er schob die Arme unter Korhonen, ruckelte so lange, bis seine Hände sich trafen, und verschränkte sie zum Fesselgriff. Dann machte er eine Drehbewegung, führte sie aber nur zur Hälfte aus, sodass er zuunterst lag. Korhonen zappelte mit hochgestreckten Beinen und versuchte, seine Arme aus Sergejs Umklammerung zu befreien.
Karpow ging in die Hocke, wie ein Mattenleiter, der genau aufpasst, damit ihm keine
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