Russische Freunde
ist, dass immer ein Ermessensspielraum bleibt. Bei Privatpersonen ist es vergleichsweise einfach, man überprüft die Identität, verlangt einen Pass, als ersten Schritt.»
«Aber ob einer die Steuern bezahlt hat, steht nicht im Pass.»
«Nein, nur ist das ein anderes Thema. Jedenfalls, bei juristischen Personen, bei irgendwelchen ausländischen Rechtskonstruktionen, wird es schnell schwierig. Es bleibt schlussendlich immer ein Ermessensspielraum des Finanzintermediärs. Welchen Aufwand muss man betreiben, um ein Risiko zu erkennen? Hier liegt ein Schwachpunkt. Es ist aufwendig und schwierig, und letztlich liegt vieles beim Kundenberater.»
«Beim Kundenberater? Und die Bank schaut weg. Wenn die Kontrollen so gut funktionieren wie im Investmentbanking, werden ja leicht einmal ein paar Milliarden übersehen.»
«Du meinst die zwei Milliarden, die die UBS verloren hat.»
«Natürlich. Die Banken fordern ihre Leute doch zu riskanten Geschäften auf. Solange es profitabel ist, wollen sie nicht wissen, was die machen, und wenn’s schief geht, präsentieren sie einen Sündenbock. Das wird doch mit irgendwelchen Schwarzgeldern nicht anders funktionieren.»
Lisa gab sich distanziert gegenüber meinem Stammtischton, aber eigentlich stimmte sie mir zu.
«Ja, es gibt da immer noch viel Doppelmoral.»
«Was heisst denn da Doppelmoral. Die kennen nur eine Moral, den Profit. Der Rest ist scheinheiliges Getue, Bigotterie», schimpfte ich trotzdem weiter.
Lisa grinste mich an, halb belustigt, halb zustimmend. Ich fand zum Thema zurück und wollte von ihr wissen, wie Geldwäscherei eigentlich funktioniert, technisch gesehen. Sie erklärte mir, dass es einen richtigen Markt gebe mit professionellen Geldwäschern, die sich spezialisierten und laufend neue Wege fanden. Die organisierte Kriminalität unterhielt Geschäftsbeziehungen zu diesen Spezialisten. Und die Rechtskonstruktionen und Organisationsformen, mit deren Hilfe Geld gewaschen wurde, wurden immer komplexer. Deshalb hinkten ihnen Stellen wie MROS ständig hinterdrein, auch wenn es jetzt viel bessere Kontrollinstrumente gab. Lisa verlor sich in Ausschweifungen über internationale Richtlinien, eine FATF und Wolfensberg-Prinzipien. Es gab eine Wiener und eine Palermo-Konvention, das konnte ich mir merken. Und dass die organisierte Kriminalität von der Globalisierung und von der Deregulierung der Finanzmärkte profitiert hatte, auch das begriff ich.
Etwas wollte ich noch wissen: «Warum ist es denn für die Mafia so wichtig, das Geld in die Schweiz zu bringen? Der Schweizer Franken ist eine sichere Währung, aber weshalb kaufen sie denn nicht einfach Gold, beispielsweise?»
Lisa sah mich überrascht an. Ich wusste wirklich nicht viel über Geldwäscherei. Sie erklärte mir, dass die organisierte Kriminalität Interesse daran hatte, in legale Geschäftsbereiche einzusteigen. Es ging nicht nur um Schweizer Franken, sie wollte ihr Kapital investieren und legitime Profite erzielen.
«Die organisierte Kriminalität übernimmt ganze Wirtschaftszweige. Es gibt immer wieder Befürchtungen, dass sie sogar für die Marktwirtschaft in der Schweiz zur Gefahr wird. Vor allem aber, und das ist auch die Antwort auf deine Frage, ist Geld wenig wert, solange seine kriminelle Herkunft nachweisbar ist. Stelle dir das so vor: Ein Drogenhändler, er besitzt Unmengen von Geld, kann aber nicht sagen, woher es stammt. Er kann das Geld nicht gefahrlos ausgeben. Also schmuggelt er es ausser Landes. Im Ausland eröffnet er Bankkonten und gründet Scheinfirmen. Mit fiktiven Rechnungen für erfundene Geschäftsbeziehungen kann er das Geld nach und nach ins Bankensystem einschleusen. Bis der Nachweis seiner kriminellen Herkunft praktisch nicht mehr zu erbringen ist.»
Lisa sagte, dass zwei bis fünf Prozent der Weltwirtschaft der Schattenwirtschaft zugerechnet werden müssten. Und dass seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion mindestens zweihundertfünfzig Milliarden US -Dollar in westliche Finanzzentren geflossen waren. Die russische Oligarchie brachte grosse Geldbeträge auf vordergründig legalem Weg in die Schweiz, zum Beispiel durch Liegenschaftskäufe oder durch Bargeldkäufe von Luxusgütern. Sowieso war man bei den Staaten der GUS mit besonderen Schwierigkeiten konfrontiert. Die Korruption dort und die Verstrickung hochrangiger Politiker führten dazu, dass Rechtshilfegesuche an GUS -Länder meist negativ beantwortet wurden.
Ausserdem kam das Geld schon vorgewaschen in die Schweiz, zum
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