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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Lutz
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Lipton zurück. Die Globalisierung hatte also auch Russland erreicht.
    «Wer hat denn die Beerdigung organisiert, und wer kümmert sich jetzt um Juris Sachen?», fragte ich Petar, als er wieder neben mir auf der Couch sass.
    «Eine Frau von der Botschaft. Sie kannte Juri kaum, aber sie hat sich trotzdem bemüht. Sie konnten keine Verwandten ausfindig machen. Schliesslich hat sie selbst die Beerdigung organisiert und Juris Sachen sortiert. Ein paar kleine Dinge hat sie aufgehoben, falls sich irgendwann doch noch jemand meldet, ein Freund oder jemand aus der Familie. Diese Dinge sind im Moment bei ihr.»
    Als er das sagte, fiel mir der iPod auf, der neben mir auf einem Stuhl lag. Ich wusste, dass er von Juri war, den Snoopy auf seiner Rückseite hatten wir gemeinsam aufgeklebt, als wir einmal herumalberten. Ich überlegte, ob ich etwas sagen sollte, aber Petar kam mir zuvor.
    «Hast du denn noch etwas herausgefunden über seinen Tod?», fragte er mich. Ich schüttelte den Kopf. Eigentlich wollte ich von ihm erfahren, was er wusste. Aber Petar war wieder schneller: «Weisst du inzwischen, wer in seine Wohnung eingebrochen ist und warum? Weisst du, wie er gestorben ist?»
    Ich wusste nicht, was ich von Petar halten sollte. Ich betrachtete ihn. Ungefähr 45-jährig, zu dick, sein Bauch wölbte sich unter dem weissen T-Shirt. Volle dunkle Haare, ein kreisförmiges, helles Gesicht mit flinken kleinen Augen. Eifrig, vielleicht etwas sehr bedacht auf seinen Vorteil, vielleicht etwas zu geschäftstüchtig. Aber grundsätzlich hielt ich ihn nicht für bösartig. Möglicherweise konnte er mir ja helfen.
    Ich erhob mich von der Couch und setze mich ihm gegenüber in einen Sessel. Ich wollte sein Gesicht sehen, wenn ich mit ihm sprach. So sitzend, erzählte ich ihm in groben Zügen, was ich wusste, die Fakten über Juris Tod. Ich sprach davon, dass ich glaubte, Juri sei ins Bad gelockt worden. Dass ich einen Verdacht hegte gegenüber AdFin und Lothar Perren, vielleicht unbegründet, wie ich sagte. Den jungen Tramper, der in der Mordnacht zugegen gewesen war, liess ich aus und auch von meinen eigenen Verfolgungsängsten sagte ich nichts.
    Petar war keine Hilfe. Er behauptete, weder AdFin noch Perren zu kennen. Ich fragte ihn nach Grigori Gussew und dann auch noch nach Jaschin, dem Mann im Auto vor der Galerie. Zu Gussew wusste er nichts, aber Jaschin kannte er. Dem Namen nach, wie er sagte, denn jeder in Russland kenne ihn. Heute steinreich, einer der vielen, die den Niedergang der UdSSR auszunützen gewusst hatten. Er hatte davon gehört, dass Jaschin immer mal wieder in der Schweiz sei, getroffen hatte er ihn noch nie. Zum Schluss schrieb er mir die Namen von ein paar russischen Bekannten auf, Leuten mit denen Juri Kontakt gehabt hatte. Gleichzeitig beteuerte er mir, er könne es sich nicht vorstellen, dass jemand von ihnen etwas mit Juris Tod zu tun haben könnte.
    Das Gespräch versiegte, als ich merkte, dass es mir nichts Neues bringen würde. Petars Redeschwall vom Anfang war einer dauerhaften Schweigsamkeit gewichen, und ich wusste immer noch nicht recht, warum er mich herbestellt hatte. Ich wollte aufbrechen.
    «Ja, ich muss dann wohl. Ich sollte in der Stadt noch etwas erledigen», sagte ich, mit einem Blick auf die Uhr.
    Petar erkundigte sich, wo ich hinmusste, und bot an, mich in die Stadt zu fahren. Ich war nicht sicher, ob es ihm die Höflichkeit gebot oder ob er nicht alleine zurückbleiben wollte. Wie er erzählt hatte, waren Frau und Kinder für zwei Wochen in Russland.
    «Ich sollte nur noch ein Telefon erledigen. Wäre es dir egal, so lange zu warten?», fragte er mich.
    Daraufhin verschwand er im hinteren Teil der Wohnung, und ich stellte mich an die Fensterfront und betrachtete die Gegend. Die Aussicht, die die Wohnung im 7. Stock bot, war phänomenal. Die Bergkette der Berner Alpen, beleuchtet von den letzten Sonnenstrahlen. Ich sah auf regennasse glänzende Hausdächer und Tramschienen hinunter, ein Müllwagen sammelte Säcke ein. Das Telefon dauerte lange. Ich lehnte mich an den Fenstersims und betrachtete die Wohnung. Passend zum Lampenschirm waren auch die Vorhänge, die bis zum Boden reichten, goldschimmernd. Rein aus Langeweile nahm ich den Stoff in die Finger und zog damit den Vorhang etwas zur Seite. Dann sah ich den Koffer. Juris Koffer stand, verborgen hinter dem Vorhang, hier in Petars Wohnung.
    Petar Lischkow kam zurück. Mein Herz hatte zu hämmern begonnen, aber ich glaubte nicht, dass er meine

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