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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Lutz
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aber versprechen kann ich es nicht. Und sonst halt nächste Woche wieder, da erreichen Sie ihn bestimmt.»
    Ich bedanke mich und bewegte mich die Treppe hinunter Richtung Ausgang. Auf halber Höhe befand sich eine Verbindungstür zum Restaurant, die jetzt aufging. Eine Frau trat heraus und rief durch das Stiegenhaus zur Rezeption hoch: «Walter, könntest du uns schnell helfen? Die Verriegelung des Geschirrspülers klemmt.»
    Der Mann von der Rezeption ging an mir vorbei und folgte ihr hinüber ins Restaurant.
    Das war die Gelegenheit. Mehr dachte ich nicht, ich lief zurück, trat hinter die Rezeption, nahm den Schlüssel 312 vom Haken und stieg rasch und leise die Treppe hinauf in den dritten Stock. Ich war schon daran, das Zimmer zu öffnen, als mir einfiel, dass ich wohl besser zuerst angeklopft hätte. Perren war ausgegangen, aber vielleicht hatte er ja jemanden zu Besuch, der hier auf ihn wartete.
    Ich hatte Glück und trat in ein leeres Zimmer. Mein Herz klopfte, mein Mund war trocken, aber ich hatte keine Zeit, darauf zu achten. Ich handelte schnell. Die Schubladen des Nachttisches waren leer, bis auf eine Zeitschrift neben dem Bett und einem Paar Schuhe neben der Eingangstür lag nichts herum. Im Schrank fand ich über die Tablare verteilt Hemden und Unterwäsche. Ich fasste in die Taschen des Anzugs, der dort hing, fand aber nur einen Kugelschreiber. In der Brusttasche stiess ich auf einen kleinen Taschenkalender, der auch eine Beige Visitenkarten von Perren enthielt. Ich steckte beides ein. Auf dem untersten Tablar des Schrankes stand ein Rollkoffer. Auch er leer.
    Ich versuchte es mit dem Tresor, der zugeschoben, aber nicht verschlossen war. Ein grosses gelbes Couvert lag darin. Ohne auch nur einen Blick hineinzuwerfen, steckte ich es in meine Handtasche. Im Bad lagen ein paar Toilettenartikel herum, die uninteressant waren. Ich kam zurück ins Zimmer, als der Lift auf diesem Stockwerk stehen blieb. Ich erstarrte. Ich stellte mich hinter die Tür, bereit, jeden Eintretenden mit der Handtasche zu attackieren. Die Lifttür wurde geöffnet, ich hörte Stimmen, Leute, die sich ungezwungen unterhielten. Dann Gelächter. Die Tür ging wieder zu und der Lift entfernte sich, ohne dass jemand ausgestiegen war. Sie hatten sich im Stockwerk geirrt.
    Ich verliess das Zimmer, der Gang war leer. Ich atmete auf. Bis mir klar wurde, dass ich in einer Falle sass. Es war unmöglich, unbemerkt an der Rezeption vorbeizuschleichen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich aus dem Gebäude kommen konnte. Der Lift, ein antikes Modell aus Holz, endete direkt vor der Rezeption, glaubte ich mich zu erinnern. Spätestens, wenn Perren zurückkam, würde der fehlende Schlüssel auffallen. Sie würden mich in den Gängen entdecken.
    Beruhigen. Abwarten. Im untersten Stockwerk, direkt über der Rezeption, gab es eine Toilette. Ich stellte mich im Finstern hinter die Eingangstür, gegen einen Heizkörper gelehnt. Mit der linken Hand hielt ich die Tür, die von einer Feder automatisch zugezogen wurde, offen, um mitzukriegen, was sich im Haus tat. Schliesslich liess ich mich neben dem Heizkörper auf den Boden gleiten. Meine Hand, die die Tür hielt, fühlte sich schon nach wenigen Minuten taub an, aber ich blieb so sitzen, im Finstern.
    Das Stockwerk, in dem ich mich versteckte, war verwaist, nur ab und zu hörte ich, dass an der Rezeption Gespräche geführt wurden. Ich sah auf mein Handy, es war acht Uhr. Nichts passierte. In regelmässigen Abständen hörte ich Trams vorbeifahren, die Geräusche der Autos, die bei Rotlicht stehen blieben. Manchmal Stimmen aus dem Restaurant, wenn die Tür geöffnet wurde. Ich horchte nach unten, erwartete jeden Moment Perrens Stimme.
    Da tat sich etwas im Stockwerk über mir, Türen öffneten sich, laute Stimmen im Gang, eine grössere Reisegruppe kam polternd die Treppe herunter. Gleichzeitig wurde der Lift benutzt. Ich schlüpfte aus der Toilette und sah, dass eine Touristengruppe daran war, das Hotel zu verlassen. Ich folgte ihnen, vor mir gingen sechs Asiaten. Unten an der Rezeption warteten bereits andere, die den Lift benutzt hatten. Ich war in der Mitte einer chinesischen Reisegruppe gelandet, als Europäerin nicht ganz so gut getarnt, wie ich es mir wünschte. Jemand aus der Gruppe sprach mit dem Mann an der Rezeption, andere stellten sich laut schwätzend dazu, umringten den Tresen. Ich legte Perrens Zimmerschlüssel zu anderen, die bereits dort lagen, rannte die Treppe hinunter und schlüpfte auf die

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