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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Lutz
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das Selbstverständlichste, dass ich da war und meine Schwester weg. Sowieso tat sie so, als ob es sich um einen lange abgemachten Ferienaufenthalt für uns beide handelte. Der strahlend helle Tag, die Weinberge, in deren Mitte das Haus meiner Schwester stand, die Bucht und der See zu unseren Füssen lösten in mir wider Willen tatsächlich Feriengefühle aus. Nach dem Frühstück spazierten wir zum See hinunter, vorbei an der Badeanstalt mit vermummten Geräten und leeren Schwimmbecken und an den verwaisten Tennisplätzen. Als wir den Berg wieder hochstiegen, fiel mir Mamas Kurzatmigkeit auf, die wir beide mit Gesprächen über die Aussicht kaschierten. Auf den Bergspitzen lag Schnee, trotzdem waren recht viele Segelboote unterwegs auf der glitzernden Oberfläche des Sees.
    Den nächsten und den übernächsten Tag verbrachte ich mit meiner Mutter. Wir führten banale, ruhige Gespräche, wir kochten gemeinsam, meine Mutter schlief viel. Das Wetter blieb sonnig und warm. Am Morgen des zweiten Tages hatte ich die Idee, eine Juristin, die ich kannte, anzurufen für ein paar Auskünfte über das Erbschaftsamt. Vielleicht würde es mir leichter fallen, die bei Tobias Bucher gefundenen Dokumente zu verstehen, wenn ich wusste, was so ein Erbschaftsamt eigentlich tat. Ich rief meine Kollegin während der Mittagspause an. Als Vorwand sprach ich von einer Verwaltungslehre im Erbschaftsamt, für die sich eine meiner Nichten interessiere, und dass ich mich fragte, wie spannend eine solche Arbeit für sie sein würde. Weil ich, wie ich sagte, befürchtete, sie würde sich langweilen.
    «Wo lebt denn deine Nichte?», fragte sie als erstes.
    «In Zürich», behauptete ich und versuchte, die Lüge im Langzeitgedächtnis zu speichern. Gut möglich, dass sie sich eines Tages nach meiner Nichte in Zürich erkundigen würde.
    «Du kannst dir ja vorstellen, weshalb ich gefragt habe, weil: Von Kanton zu Kanton ist es verschieden. Ich kann dir nur sagen, wie es im Kanton Bern läuft. Also, Moment mal», es klang so, wie wenn sie den Hörer beiseitelegte und nach etwas suchte.
    «Also», nahm sie den Hörer wieder auf, «erstens, Siegelungsprotokolle und versiegeln. Wenn jemand stirbt, muss ein Siegelungsprotokoll ausgefüllt werden, um die Erbmasse zu sichern, in der Stadt Bern macht das das Erbschaftsamt. Und manchmal wird eine Wohnung ja auch wirklich versiegelt. Ich nehme an, das ist der Fall, wenn jemand befürchtet, dass die Verwandtschaft sonst den Rembrandt aus dem Hause trägt. Die Siegelung erfolgt immer in der Wohnung des Verstorbenen. Nach dem Siegelungsprotokoll ordnet der Regierungsstatthalter an, dass ein Notar ein Steuerinventar erstellt. Falls das notwendig ist.»
    «Das Amt arbeitet also eng mit Notaren zusammen?»
    «Ja, natürlich. Du wolltest aber wissen, was das Erbschaftsamt tut. Also zweitens, das Erbschaftsamt nimmt Testamente entgegen. Die Einwohner der Stadt Bern können ihr Testament beim Testamentsdienst hinterlegen. Die Mitarbeiter quittieren den Empfang und deponieren es in einem Tresor.»
    Ich hatte begriffen, dass sie irgendwelche Unterlagen vor sich hatte, die sie jetzt durchlas.
    «Das Amt muss das Testament innerhalb eines Monats nach Ableben eröffnen. Das verschlossene Couvert wird geöffnet und verlesen, du kennst das aus Filmen. Dafür werden die Erben eingeladen. Falls deren Aufenthaltsort unbekannt ist, muss das Erbschaftsamt sie ausfindig machen. Das wäre dann drittens, Erben ausfindig machen. Wenn das nicht möglich ist, erfolgt eine öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt. Ja und viertens muss sich das Amt auch noch um Erbschaftsverwaltungen kümmern. Damit ist gemeint, dass jemand bestimmt wird, der die Dinge weiter verwaltet, während sich die Erben darum streiten. Jemand muss die Mieten einkassieren, wenn es sich um ein Mietshaus handelt, solches Zeug. Und wenn unklar ist, wer die Erben überhaupt sind, dann muss das Amt einen sogenannten Erbenruf anordnen. Vielleicht hast du das in der Zeitung schon einmal gesehen, allfällige Erben können sich innerhalb eines Jahres melden. Das wäre fünftens gewesen.»
    «Für was braucht es in Erbschaftsangelegenheiten eigentlich Notare?»
    «Notare? Für alles. Du kannst dir von einem Notar das Testament verfassen lassen oder es mindestens von ihm beurkunden lassen. Du kannst es auch bei ihm hinterlegen, Notare können Testamente eröffnen, Steuer-und Erbschaftsinventare errichten, Erbenscheine ausstellen, solche Dinge machen Notare.»
    «Ich meine,

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