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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Lutz
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nehme ich an. Jetzt anschliessend gibt’s noch einen Anlass in der Botschaft, da gehen die jetzt wohl hin. Schau, an dieser Vernissage im Museum, die Botschafter waren da, aus Russland und aus der Ukraine. Der russische Botschafter hat eine Rede gehalten, die hast du doch gehört?»
    Das hatte ich, und er sprach weiter.
    «Also, die Botschafter waren da, die Stadtpräsidentin, Gemeinderäte, reiche Sponsoren, alles. So ein Anlass ist eine gute Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen, verstehst du? Viele Geschäfte ergeben sich nun einmal so. Deshalb waren die Geschäftsleute da. Leute, die in der Schweiz investieren wollen oder ein Geschäft eröffnen, es ist eine Gelegenheit, miteinander in Kontakt zu kommen.»
    Das wusste ich selber. Erstaunlich fand ich nur, wie unbefangen Petar darüber sprach. Nicht jedes Geschäft mit und unter Russen war mafiös, musste ich mir sagen.
    «Aber aus Dagestan war niemand da?», fragte ich, einfach um das Gespräch weiterzuführen.
    «Aus Dagestan war ein Restaurator da», antwortete Petar kurz. Das Gespräch langweilte ihn, und er begann, einen Radiosender zu suchen. Das Versprechen, mich nach Hause zu bringen, war ihm wohl lästig geworden, und er fuhr unkonzentriert und ungeduldig. Petar war betrunken. Bei unserer letzten Begegnung war er Fragen ausgewichen, heute war er etwas mitteilsamer. Ich hätte ihn gerne auf den Koffer angesprochen, und vielleicht wäre es genau der richtige Moment gewesen, aber dann war ich doch zu vorsichtig, um es zu tun. Den Rest des Weges sprachen wir nichts mehr. Es hatte aufgehört zu regnen, und die Scheibenwischer hinterliessen eine breite schmierige Spur, die die Sicht auf die trübe Fahrbahn verschlechterte. Petar schien sich nicht daran zu stören, und während er ein paar Sicherheitslinien überfuhr, wünschte ich mir das Ende der Fahrt herbei.
    Er setzte mich vor meiner Haustür ab, und ich bat ihn zu warten, bis ich oben Licht gemacht hatte. Als ich aber vom Küchenfenster aus auf den Vorplatz schaute, war Petar längst verschwunden. Meine Wohnung schien unbetreten, trotzdem schob ich wieder einmal die Kommode vor die Tür.

28
    Erstaunlicherweise hatte ich gut geschlafen. Ich wagte einen Blick aus dem Fenster, kein blauer Volvo. Mich fröstelte, ich sah nach dem Ölofen. Gestern hatte ich mich doch noch einmal aus dem Haus gewagt. Der Anlass auf der russischen Botschaft, mindestens aus der Ferne wollte ich sehen, wer kam und wer ging. Der Regen hatte nachgelassen, mit dem Fahrrad war ich am mobilsten. Ich war noch nicht bei der russischen Botschaft angekommen, als mir in einer der Querstrassen die Limousine entgegenkam. Im Stadtverkehr war es ein Einfaches gewesen, ihr nachzufahren, umso mehr, nachdem ich bei der ersten roten Ampel festgestellt hatte, dass sich ausser dem Chauffeur niemand im Auto befand. Niemand, bis auf einen Hund. Teilnahmsvoll sah er mir durch die Heckscheibe zu, wie ich den Regen aus meinem Gesicht wischte. Am Guisanplatz verschwand das Auto in der Tiefgarage des Hotels Novotel. Sie waren dort sicher standesgemäss untergebracht, Hund wie Herrchen. Wer immer das war, vielleicht Jaschin. Ich konnte mir jedenfalls vorstellen, dass Jaschin den Luxus und die Anonymität des grossen Kongresshotels schätzte.
    Als ich Öl nachgoss, fiel mir das Blinken des Telefonbeantworters auf. In einem ersten Anruf hatte Caris mir einen Termin für ein Zweitgespräch vorgeschlagen. In einem zweiten teilten sie mir, leicht vorwurfsvoll, mit, dass ich nicht erreichbar gewesen war und dass sie sich für eine andere Person entschieden hatten. In einem dritten, vierten und fünften erkundigte sich der Besitzer des Mietwagens nach dem Verbleib des Autos. Ein besonders guter Start in den Tag war das nicht, keine Ahnung, seit wann der Apparat geblinkt hatte. Vielleicht hatte Caris angerufen, als ich in Spiez war. Andererseits war ich erleichtert.
    Während ich die Kommode im Gang von der Wohnungstür zurück auf ihren Platz schob, gestand ich mir ein, dass ich seit einiger Zeit richtig Angst hatte. Ich tat so, als ob es normal sei, Kommoden hin-und herzuschieben, aber das war es nicht. Auf Dauer konnte ich so nicht leben.
    Ich fragte mich, wie sich Perren das Verschwinden der Verträge aus seinem Zimmer erklärte. Und ob es möglich war, dass er es mit mir in Verbindung brachte. Weshalb bloss war es so schwierig, an Informationen über ihn heranzukommen? Weil ich mich nicht richtig an ihn herantraute. Weder an ihn noch an Gussew. An unverfänglichen

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