Russische Freunde
zu das Vergnügen?»
«Zur Genüge, gehört zu meinen Pflichten. Als Stadträtin und für meine NGO sowieso, Sponsoren interessieren uns immer», meinte sie und begann mir flüsternd zu erklären, wer alles anwesend war. Die Museumsdirektorin, die gerade sprach, war die Freundin, besser gesagt die Geliebte, korrigierte sie sich, eines Mitarbeiters der Stadtbauten, der weiter hinten stand. Ich hätte den breit gebauten Mann mit seiner strähnigen Frisur eher für einen ins Alter gekommenen Fussballtrainer gehalten. Eine Verbindung zwischen ihm und der hageren Museumsdirektorin, die immer noch harte Zischlaute durchs Mikrofon sandte, konnte ich mir schlecht vorstellen. Breitbeinig und mit hinter dem Rücken gefalteten Händen stand er etwas abseits und wirkte in der festlichen Halle wie ein unglücklicher Kirchgänger. Links von ihm standen die Stadtpräsidentin und einige Mitglieder des Stadtrates in einer Gruppe zusammen, einige hatte ich bereits selber erkannt. Der Gemeinderat, der für die Stadtbauten zuständig war, versteckte sich hinter dem Buffet, erklärte Anita. Er habe sich geweigert, eine Rede zu halten, wahrscheinlich sei er beleidigt wegen der Kritik, die er hatte einstecken müssen.
«Heute sind doch alle zufrieden über die geglückte Ausstellung, da muss er doch keine Kritik mehr fürchten?», fragte ich.
«Wahrscheinlich nicht», erwiderte Anita, «die Stadt kommt eigentlich sehr gut weg beim Deal mit der Museumsstiftung. Die Stadt kann einen fiktiven Mietpreis an das Museum von ihren Subventionen abziehen, so dass die Burger und der Kanton jetzt mehr bezahlen.»
Anita stand schräg hinter mir und fuhr weiter in ihrer Vorstellungsrunde. Sie erklärte mir, wer die wichtigen Vertreter der Burgergemeinde waren. Inzwischen sprach die Stadtpräsidentin, auch ihr hörte ich nicht zu. Eine greise Dame sass inmitten der Gesellschaft auf einem gepolsterten Sessel, es handelte sich um eine vermögende Burgerin. Sie hatte den grössten Teil der nötigen Umbauten finanziert, erklärte Anita. Links von ihr standen Herren aus der russischen Botschaft, wie Anita mir sagte, denn die Ausstellung sei von Russland unterstützt worden.
«Weshalb denn gerade Russland?», fragte ich, mit wachsendem Interesse.
«Wegen der Ausstellung natürlich, wegen den Teppichen», antwortete Anita und sah mich an.
«Die sind doch aus Dagestan», rutschte mir heraus, «ach so, natürlich wegen den Teppichen aus Dagestan», bremste ich mich. Dagestan war dann wohl Teil der GUS , über die ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken habe ich seit längerem den Überblick verloren. Das musste Anita nicht wissen. Sie erklärte mir weiter, dass die Teppiche aus Dagestan in der Schweiz restauriert worden waren. Das Ganze hatte auch zu tun mit einem Förderstipendium für zwei russische Textilrestauratoren, die die Teppiche während ihrer Ausbildung in der Schweiz in der Abegg-Stiftung restauriert hatten.
Plötzlich entdeckte ich Petar. Er stand in der Nähe des russischen Botschafters neben einem Mann, den auch Anita nicht kannte. Anita wollte mir gerade erklären, wer den Kanton Bern vertrat, einen weiteren wichtigen Geldgeber des Museums. Da steuerte die Stadtpräsidentin auf das Ende ihrer Rede zu, und Anita schrak auf.
«Hilfe, jetzt bin ich dran.»
Ich war völlig verblüfft, als Anita nach vorne ging, mit der grössten Selbstverständlichkeit und ohne die geringste Nervosität. Sie hatte weder heute Nachmittag noch eben gerade erwähnt, dass sie für eine Rede vorgesehen war. Anita sprach als Vertreterin des Stadtrates. Dunkel erinnerte ich mich an spöttische Bemerkungen von ihr über Stadtratskollegen und -kolleginnen, die sich gerne und überall in der Öffentlichkeit präsentierten. Andererseits wollte sie in den Nationalrat, und da musste sie sich wohl ins Gespräch bringen.
Anita sprach klar und unterhaltsam, und ich hörte ihr gerne zu. Das leise Gemurmel, das die anderen Reden begleitet hatte, war verstummt. Was sie sagte, war zwar das zu Erwartende, sie lobte die Anstrengungen der Beteiligten, sie würdigte den bisherigen Erfolg des Museums. Wie sie es sagte, war unterhaltsam. Und sie flocht mehrmals ein, dass verschiedene Arten von Kultur gefördert werden müssen, was zu hören diesem Publikum nicht schadete, fand ich. Die ungewöhnlich unbürokratische Zusammenarbeit erwähnte sie mit einem leisen Lächeln, eine Anspielung, die verstehen konnte, wer es wollte. Ich würde ihr auch bei den nächsten Wahlen meine Stimme
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