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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Lutz
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da hatte sich eine ausländische Firma vorgedrängt, und sie fanden, das kann doch nicht sein, nicht bei einem Objekt von denkmalpflegerischer Bedeutung. Kommst du denn heute Abend an die Vernissage, oder weshalb fragst du?»
    «Vernissage?»
    «Heute Abend wird die erste Ausstellung eröffnet. Etwas mit Textilien, das ist ja der Schwerpunkt, deshalb dieser Ableger des Museums.»
    Sie hatte inzwischen den Computer abgestellt und machte sich bereit zu gehen.
    «Aber weisst du», fuhr Anita weiter, «trotzdem. Von wegen Stadtbauten und Filz. Ich hab’s erst im Nachhinein gehört, dass einer der Abteilungsleiter der Stadtbauten mit der Direktorin des Historischen Museums liiert ist. Ich meine, er hat sich sicher an die Vorgaben gehalten, aber da hat sich einer mächtig ins Zeug gelegt. Damit das Museum das Haus kriegt und damit alles schnell und reibungslos geht.»
    Anita zog die Augenbrauen in die Höhe und schnaubte. Ich sah sie vor mir, wie sie mit Vehemenz im Stadtrat argumentierte.
    «Erstaunlich, dass sich die Medien nicht stärker auf das Thema gestürzt haben!»
    «Auch für die Journis kam der Sommer, und einige Resonanz hat die Diskussion ja gehabt. Beim Eröffnungsfest heute Abend werden jedenfalls alle anwesend sein, in Eintracht, nehme ich an, die Affäre ist Geschichte», schloss Anita ab.
    «Was willst du denn von Ruth Reiter, warum suchst du sie?», erkundigte sie sich, um das Gespräch zu beenden. Sie sah mich über ihre Brillengläser hinweg an. Ich stand immer noch im freien Raum vor ihr.
    «Ich habe vor kurzem alte Fotos entdeckt, sehr schöne alte Fotos von ihr. Ich dachte, sie würde sich freuen.»
    «Ich würde die alten Fotos auch gerne anschauen. Wir müssen unbedingt wieder einmal etwas abmachen», verabschiedete sie mich. Ich wusste, dass sie nie Zeit finden würde für ein Treffen. Ihren irritierten Blick, als ich den zerknitterten Papierfetzen aus ihrem Abfallkorb, auf dem ich Ruth Reiters Adresse notiert hatte, glatt strich und umständlich in mein zerfetztes altes Adressbuch bettete, genoss ich.

27
    Es regnete, als ich im Kirchenfeldquartier ankam. Ich stieg aus dem Tram, überquerte die vierspurige Strasse und rannte hinüber zum Museum. Die Jugendstilvilla war von einem hohen schmiedeeisernen Zaun umgeben, an dem grosse Plakate für die Ausstellung warben, Teppichschätze aus Dagestan. Über eine breite, in der Mitte ausgetretene Sandsteintreppe gelangte ich in die Eingangshalle. Der prächtige grosse Raum war bereits voller Besucher. Hohe Fenster gaben ihm etwas Ehrwürdiges, links führte eine Sandsteintreppe in die oberen Stockwerke. Die Wände waren bis hoch hinauf getäfert, und gedankenlos legte ich meine Hand auf einen bauchigen silbrigen Heizkörper, der warm war. Ich betrachtete den Terrazzoboden, auch er in originalem Zustand.
    Ich stellte mich links vom Eingang in eine Nische und sah zu, wie weitere Gäste eintrafen. Wieder einmal dachte ich an mein Deux-Pièces, das unbenutzt an der Leine baumelte. Mir fehlte die Routine für ein Doppelleben, das sowieso zu kompliziert angelegt war. Andererseits konnte ich mich in Jeans und Regenjacke unauffällig in der Nähe der beiden anwesenden Journalisten bewegen, die ihre Kameralinsen aus grossen abgewetzten Taschen fischten und sich wie ich am Rande des Geschehens aufhielten. Bis auf ein paar Politiker, die ab und zu in den Zeitungen abgebildet waren, kannte ich niemanden.
    Wenig später begann der offizielle Teil des Anlasses mit einer Rede der Museumsdirektorin. Sie war gross gewachsen und hager und stand zu nahe am Mikrofon, ihre harte Aussprache explodierte an meinem Ohr. Ich schaffte es nicht, ihr zuzuhören. Plötzlich stand Anita Leiss, die Stadträtin, vor mir.
    «Du bist tatsächlich gekommen?», wunderte sie sich, schien sich aber über mein plötzliches Interesse am Museum nicht wirklich den Kopf zu zerbrechen, «darf ich ein bisschen bei dir bleiben? Ich habe vorläufig keine Lust auf Konversation mit den verdienstvollen Gästen dieser Gesellschaft, ich brauche ein normales Gesicht.»
    Sie hängte sich an meinen Arm. Früher waren wir Freundinnen gewesen, aber so anhänglich hatte ich sie noch nie erlebt. Ich fragte mich, wie sie es geschafft hatte, sich in der Stunde seit unserem Treffen in ihrem Büro so schick zu machen.
    «Ich kenne hier überhaupt niemanden von den verdienstvollen Gästen, wie du sie nennst», sagte ich, «ich nehme an, es handelt sich um Burger und reiche Sponsoren. Du hattest sicher schon ab und

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