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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Der alte Mann schluchzte auf. »Ich kann nicht mehr trinken und nicht mehr essen. Verstehen Sie, ich bin ein anständiger Mensch, in meinem Arbeitsbuch habe ich vier Danksagungen, und mein Sohn ist ein bekannterJournalist.« Er drückte das Gesicht ins Kopfkissen und weinte noch bitterlicher. Dem Hauptmann blieb nichts anderes übrig, als die Krankenschwester zu rufen.
     
    Beim Frühstück schwieg Lidija Borodina demonstrativ und zeigte mit ihrem ganzen Verhalten, daß sie ihren Sohn in Ruhe lassen und nicht beim Nachdenken stören wollte. Aber schließlich hielt sie es doch nicht mehr aus.
    »Übrigens, gestern habe ich Warja getroffen. Ist das nicht merkwürdig, wo wir doch neulich erst von ihr gesprochen haben? Sie wirkt jetzt ganz erwachsen, und sie ist wunderschön geworden! Sie hat mich sofort erkannt, nach dir gefragt und mich gebeten, dir einen Gruß zu bestellen.«
    »Wie geht es ihr?«
    »Sie lebt mit einem Mann zusammen, der ihr Vater sein könnte. Er ist sechsundfünfzig und sie gerade mal zwanzig.«
    »Und studiert sie jetzt wirklich an der Kunstakademie?«
    »Dort habe ich sie ja getroffen, du weißt doch, ich werde einmal im Jahr eingeladen, ein Seminar über die Symbolisten abzuhalten.«
    »Ach ja, natürlich. Aber soweit ich weiß, ist das Studium dort gebührenpflichtig und sehr teuer. Wer bezahlt denn für Warja?«
    »Ihr Galan. Ih, was für ein widerliches Wort.« Lidija verzog das Gesicht, als hätte sie auf etwas Saures gebissen. »Aber anders kann man es nicht ausdrücken. Liebhaber klingt noch häßlicher. Übrigens, wenn er ihr das Studium finanziert, hat er ja wohl ernste Absichten und wird sie hoffentlich heiraten, wie ein anständiger Mann.«
    »Ist er denn ein anständiger Mann?«
    »Es heißt, ja. Vielleicht hast du schon von ihm gehört. Dmitri Malzew, stellvertretender Finanzminister. Man hatmir gesagt, er tut viel für die Akademie, setzt sich beim Bürgermeister und beim Kultusminister ein, hat Sponsoren in Deutschland und Amerika gefunden. Er soll auch ein ziemlich gebildeter Mann sein.«
    »Wer sagt das?«
    »Ilja, was ist das für eine Unsitte, Fragen zu stellen, obwohl dich die Antworten darauf im Grunde gar nicht interessieren?« sagte Lidija stirnrunzelnd.
    »Wieso denn? Es interessiert mich sehr zu erfahren, von wem du so viel über den stellvertretenden Finanzminister Malzew gehört hast.«
    »Von der Bibliothekarin der Akademie, Jekaterina Borissowna.«
    »Was denn, geht Malzew etwa in die Institutsbibliothek?« fragte Borodin mit spöttischem Grinsen.
    »Du brauchst dich gar nicht lustig zu machen, Ilja. Ja, das tut er, wenn auch selten. Er interessiert sich für Geschichte, genauer gesagt für die Geschichte des russifizierten französischen Adels, dem Katharina die Große während der Französischen Revolution Unterschlupf geboten hat.«
    »Ach, will er etwa seinen Stammbaum erforschen und Mitglied der Adelsgesellschaft werden? Es ist jetzt sehr in Mode, sich als Fürst von altem Adel auszugeben oder doch mindestens als Graf.«
    »Ja, du hast richtig geraten«, sagte Lidija lächelnd, »vielleicht wartet auf unsere Warja noch eine große Zukunft. Dann wird sie nicht einfach die Frau des reichen Ministers Malzew sein, sondern eine Gräfin. Ihr zukünftiger Mann hat darum gebeten, alle Dokumente herauszusuchen, die es über das Geschlecht der Grafen Paurier gibt.«

Kapitel 30
    Krassawtschenko war verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt, aber Lisa zweifelte nicht daran, daß er in Moskau auftauchen würde, sobald sie wieder dort war. Immerhin gelang es ihr, sich wenigstens zeitweilig zu beruhigen und nicht ständig darüber zu grübeln, ob wirklich sie auf den Fotos zu sehen war und was der Erpresser von ihr wollte und wie sie sich in dieser Situation am vernünftigsten verhielt.
    Einen Tag vor der Abreise rief ihr Mann an, um sich zu vergewissern, ob er die richtige Flugnummer hatte. Und genau fünf Minuten später rief Juri an und stellte ihr die gleiche Frage.
    »Wir haben doch verabredet, daß ich in zwei Tagen zu dir komme.«
    »Du brauchst keine Angst zu haben, ich werde irgendwo ganz am Rand stehen«, sagte er traurig. »Ich zähle die Tage, ich kann ohne dich nicht leben.«
    »Entschuldige. Aber es wäre besser, du kämest nicht zum Flughafen. Wir haben das doch schon besprochen.«
    »Lisa, was ist mit dir? Hast du dort Probleme?«
    »Ja.«
    »Möchtest du mir nicht kurz erklären, was passiert ist?«
    »Ich werde erpreßt.« Sie spürte, daß ihr gleich die

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