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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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ebenfalls jeden Morgen. Und Dmitri Malzew dachte sich, es sei doch viel interessanter, gemeinsam zu laufen.
    »Du hast wirklich unglaubliche Augen«, hörte Warja seine etwas heisere, müde Stimme und begriff, daß er sie die ganze Zeit angesehen hatte. »Welcher Teufel hat dir nur solche Augen gegeben!«
    »Danke.« Sie lächelte erfreut. Er verwöhnte sie selten mit Komplimenten, manchmal schien es ihr sogar, daß er sich an ihre Schönheit so gewöhnt hatte, daß er sie gar nicht mehr bemerkte.
    »Bei dieser Beleuchtung«, fuhr er nachdenklich fort, »bekommen deine Augen einen seltenen saphirblauen Farbton. Weißt du, wie viele Farbschattierungen es bei Saphiren gibt? Mehr als hundert. Aber das schönste Blau hat der Diamant. Es gibt einen saphirblauen Brillanten namens ›Hope‹,das ist einer der geheimnisvollsten Edelsteine auf der Welt. Ein wunderbarer, außergewöhnlicher Brillant von tiefblauer Färbung, bemerkenswerter Reinheit und vollkommenem Schliff. Er besitzt ideale Proportionen. Er vereint die Farbe des Saphirs mit dem Lichtspiel und dem Glanz des Diamanten. Und eine solche Farbe haben jetzt deine Augen.«
    »Gibt es denn blaue Diamanten?«
    »Diamanten, Warja, können rosa, gelb und grünlich sein. Aber das ist keine Farbe, sondern nur eine Schattierung, die den Wert des Steines verringert. Blau nennt man gewöhnlich schwach gefärbte Diamanten, sie haben eine grau-blaue Tönung und wirken eher trüb als blau. Ein echtes, tiefes Saphirblau bei einem Diamanten – das ist ein Wunder, ein Mysterium.«
    »Hast du diesen Diamanten einmal gesehen?«
    »Ja. Er befindet sich in der Smithsonian Institution in Washington.«
    »Das heißt, er gehört niemandem?«
    »Viele Sammler wären bereit, ihr ganzes Vermögen für diesen Stein zu geben. Aber er wird nicht mehr verkauft, für kein Geld der Welt. Er darf niemandem mehr gehören.«
    »Warum nicht?«
    »Der ›Hope‹ bringt seinen Besitzern Unglück. Mitte des sechzehnten Jahrhunderts wurde er aus Indien nach Europa gebracht – zusammen mit der Pest. Die Pest war natürlich nicht in dem Stein versteckt, mit ihr waren die Ratten im Laderaum des Schiffes infiziert, doch der Stein fuhr auf demselben Schiff nach Europa. Die Königin Marie-Antoinette lieh ihn ihrer Freundin, der Prinzessin Lamballé, aus«, fuhr Malzew fort, und Warja schien es, als erzähle er das nicht ihr, sondern sich selbst, »und bald darauf wurde die Prinzessin auf schreckliche Weise ermordet, und späterwurde auch Marie-Antoinette selber enthauptet. Während der Französischen Revolution wurde der Diamant gestohlen, ging durch die Hände vieler Abenteurer, Aufrührer und Diplomaten, bis er im Jahre 1830 wieder auftauchte, aber in stark verkleinerter Form. So erwarb ihn dann der englische Bankier Hope. Danach wurde der Sohn des Bankiers vergiftet, und der Enkel verlor sein gesamtes Vermögen. Im Jahre 1901 schenkte der russische Fürst Korytowski den ›Hope‹ der Pariser Tänzerin Mademoiselle Ledoux, die er nicht lange darauf in einem Anfall von Eifersucht erschoß. Der Fürst selber wurde nur wenige Tage später von Terroristen getötet. Der nächste Besitzer, der Sultan Abdul Hamid, schenkte den blauen Diamanten seiner Geliebten. Sie wurde bei einer Palastrevolution bestialisch ermordet, der Sultan selbst seiner Macht beraubt und verjagt. Dann gelangte der Diamant in den Besitz eines Spaniers, der auf hoher See ertrank. Nach ihm bekam ein reiches amerikanisches Ehepaar den Stein, und kaum war er in ihre Hände gelangt, da starb auch schon ihr einziges Kind. Der unglückliche Vater verlor darüber den Verstand.«
    »Glaubst du das alles?«
    »Das sind allgemein bekannte historische Tatsachen«, sagte Dmitri Malzew lächelnd.
    »Nein, ich meine, glaubst du, daß an allem der Stein schuld ist?«
    »Natürlich.«
    »Warum hast du gesagt, meine Augen hätten die gleiche Farbe wie dieser schreckliche ›Hope‹?«
    »Befürchtest du, die Farbe deiner Augen könnte Unglück bringen?«
    »Und wenn es so wäre?« fragte sie völlig ernst.
    »Für wen fürchtest du mehr? Für dich selber oder für mich?« Sein Gesicht blieb bei diesen Worten ernst, er blickteWarja starr und vielsagend an, was sonst gar nicht seine Art war.
    »Ich fürchte für uns beide«, rutschte es ihr heraus. Sie wandte sich ab.
    »Und was folgt daraus?«
    Sie wartete darauf, daß er endlich in Lachen ausbrechen oder wenigstens lächeln würde, aber er blieb ernst.
    »Vielleicht sollte ich besser farbige Kontaktlinsen

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