Russische Orchidee
angenehme Empfindungen vermitteln. Mit ihr sollte er sich besser fühlen als ohne sie. Aber der Trick bestand nicht einfach darin, stets seinen Wünschen und Bedürfnissen zu entsprechen. Vor allem durfte er auf keinen Fall merken, wie sehr sie sich anstrengte. Er mußte das Gefühl haben, daß sie sich absolut natürlich benahm, nicht versuchte, ihm zu gefallen, sondern ihn einfach liebte, zärtlich, leidenschaftlich, eben so, wie er es mochte. Gleichzeitig durfte auf keinen Fall der Verdacht aufkommen, sie wolle nur möglichst schnell seine Frau werden. Es sollte so sein: Sie liebt ihn sehr, strebt aber keine Heirat an, weil er eine so gute Partie ist – echte Liebe muß uneigennützig sein.
Warja zweifelte nicht daran, daß er bei all seiner Solidität und Härte, bei all seinem Zynismus auch Liebe brauchte wie jeder normale Mensch. Manchmal erzählte er in knappen, kargen Worten von den Problemen mit seinen beiden früheren Frauen.
Die erste war genauso alt wie er gewesen, eine Studienfreundin, die aus Rostow nach Moskau gekommen war. Sie war eine sehr energische Person, die ihren provinziellen südrussischen Dialekt rasch ablegte und ihre angeborene Neigung zur Körperfülle erfolgreich bekämpfte. Mit Leichtigkeit eignete sie sich den hauptstädtischen Stil an, sowohl in der Kleidung wie im Benehmen. In den ersten Jahren war sie für Dmitri Malzew eine ideale Partnerin. Gemeinsam machten sie Karriere. Aber ihm fehlte die zähe Energie des Emporkömmlings. Er blieb hinter dem raschen Karrieretempo seiner Frau zurück. Das begann ihn zu ärgern, zunächst nur ein bißchen, dann ernstlich. Im siebten Jahr ihres Zusammenlebens machte ihn bereits alles an ihr rasend. Jede Geste seiner erfolgreichen Gattin, jeder Blick, ihr autoritärer, arroganterTonfall, ihre plebejische Selbstsicherheit, ihre harten Urteile. Sobald ihr Sohn aus dem Gröbsten heraus war, ließen sie sich scheiden.
»Sie hörte und sah nur sich selbst«, sagte Malzew über seine erste Frau, »und deshalb war es unmöglich, mit ihr zu leben.«
Seine zweite Auserkorene war das genaue Gegenteil der ersten. Eine stille, mollige, naive Moskauerin mit sanfter Stimme und ohne die geringsten Ambitionen, völlig zufrieden mit der Rolle des Heimchens am Herde. Ihre Lieblingslektüre waren Kochbücher und Gartenzeitschriften. Voller Entzücken lauschte Malzew abends ihrem sanften Geplauder und verspeiste ihre leckeren Mahlzeiten – Borschtsch, Pasteten, Apfelcharlotten.
Sie bekamen eine Tochter, und Malzew konnte sich gar nicht genug über seine ideale Familie freuen. Seine Frau wurde kein einziges Mal laut. Niemals widersprach sie, im Gegenteil, sie versicherte unaufhörlich, wie glücklich sie sei. Glücklich machte sie alles: der Brei, den das Kind bis zum letzten Löffel aufaß, ein gelungener Kuchenteig, das Waschpulver, das im Geschäft in der Nachbarstraße zwei Rubel billiger war.
Das Mädchen wuchs heran, es wurde genauso still und rundlich wie die Mutter, es lernte, Piroggen zu backen, und nähte seinen Puppen Kleider. Malzew machte Karriere und war ständig im Dienst. Seine Frau blieb zu Hause, wurde dick und alt und empfing ihn abends mit ihrem Buttergebäck und ihrem Geplauder.
»Sie saß immer nur zu Hause und verblödete mit der Zeit«, sagte Dmitri Wladimirowitsch über seine zweite Frau. »Sie wurde unheimlich dick und sah älter aus, als sie war. Aber vor allem konnte man nirgends mehr mit ihr hingehen, weil sie ununterbrochen plapperte, und von nichts anderemals von ihren Pasteten, von ihrem Gemüsegarten und von mexikanischen Seifenopern.«
Mit der ersten Frau war Malzew sieben Jahre verheiratet, mit der zweiten fünfzehn. Offiziell war er von ihr noch nicht geschieden, aber sie lebten schon seit einem halben Jahr getrennt – Malzew in seinem Haus auf dem Land, seine Frau in einer schönen Zweizimmerwohnung in Moskau, die er für sie gekauft hatte, als er merkte, daß die leckeren Pasteten und das sanfte Geplauder ihn wahnsinnig machten.
Und wie auf Bestellung begegnete er eines schönen Morgens, als er gerade seinen gewohnten Fünf-Kilometer-Lauf absolvierte, auf einem Waldweg einer jungen Schönheit mit tiefblauen Augen und seidigem schwarzem Haar.
Sie hatte sich den Fuß verstaucht, konnte nicht aufstehen, und dem älteren Staatsbeamten blieb nichts anderes übrig, als sie ins Hotel zurückzubringen. Die Verstauchung verschwand erstaunlich schnell, und nur drei Tage später begegneten sie sich erneut im Wald. Sie joggte
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