Russische Volksmaerchen
daß dies nicht möglich sei, aber sie droheten ihm, wenn er ihrem Willen nicht sich füge, so würde ihm der Kopf abgeschlagen werden, denn sie merkten, daß dies nicht mit natürlichen Dingen zugehe. Der Schuster verließ das Schloß mit gesenktem Kopfe, ging in die Stadt, kaufte Leder und besoff sich vor Kummer noch weit mehr, als vorher. Spät Abends kam er nach Hause, warf das Leder auf die Diele und sprach zu seinem Gesellen: »Höre, du Verfluchter, was du mit deiner teuflischen Arbeit gemacht hast.« Er erzählte, was ihm die Königstöchter befohlen, und womit sie ihn bedroht, wenn er nicht ihren Befehl vollbrächte. »Kümmere dich nicht,« sagte Iwan Zarewitsch zu ihm, »lege dich getrost schlafen. Morgenstunde hat Gold im Munde.« Sein Meister dankte ihm für den Rath, warf sich auf die Bank hin und fing bald an, laut zu schnarchen. Iwan Zarewitsch rief sogleich seinen Geist und befahl ihm, Alles fertig zu machen, dann legte er sich selbst schlafen.
Obgleich sich der Schuster berauscht hatte, so kam es ihm, als er früh morgens erwachte, doch nicht aus dem Sinne, daß er heute seinen Kopf verlieren sollte. Er trat zu seinem Gesellen und sprach zu ihm: »Laß uns eine Flasche austrinken, damit ich mehr Muth habe, mich unter das Beil zu bücken.« – »Sei unbesorgt,« antwortete ihm Iwan Zarewitsch, »gehe in die Werkkammer und nimm die Arbeit, die gefordert worden ist.« Er ging mißtrauisch in die Werkkammer, aber da er die ganze Arbeit fertig sah, wußte er vor Freude nicht, was er anfangen sollte, umarmte seinen Gesellen und nannte ihn seinen Retter. Darauf nahm er alle Schuhe und ging in das Schloß. Als die Königstöchter dies Alles sahen, da wurden sie noch fester überzeugt, daß Iwan Zarewitsch in der Stadt sein müßte und sprachen zu dem Schuster: »Du hast deine Sache recht gut gemacht, aber noch einen Dienst mußt du uns leisten: heute Nacht muß vor unserem Schlosse ein goldenes Schloß stehen, und von diesem bis zu dem unsrigen muß eine mit Sammet überzogene Porzellanbrücke führen.« Der Schuster blickte sie bestürzt an und sprach: »Ich bin ja nur ein Schuster, wie sollte ich so etwas machen können?« – »Nun, wenn du unsern Willen nicht vollziehst,« drohten sie, »so wird dir der Kopf abgeschlagen werden.« Der Schuster ging alsbald aus dem Schlosse und weinte bitterlich; doch kehrte er in eine Kneipe ein, um seinen Kummer im Wein zu vertrinken, kam berauscht nach Hause und erzählte Iwan Zarewitsch, was ihm zu vollbringen befohlen worden. »Lege dich schlafen,« sagte dieser: »Morgenstunde hat Gold im Munde.« Und der Schuster warf sich wieder auf die Bank, und schlief ein. Iwan Zarewitsch rief seinen Geist zu sich, und befahl ihm, Alles auszuführen, was dem Schuster befohlen worden; dann legte er sich selbst nieder, um zu schlafen.
Frühmorgens weckte Iwan Zarewitsch seinen Meister auf, gab ihm einen Flederwisch in die Hand, und sagte: »Gehe dort auf die Brücke und kehre überall den Staub ab.« Er selbst aber ging in das goldene Schloß. Als der Zar und die Königstöchter früh morgens erwachten, gingen sie auf ihren Balkon, und erstaunten, als sie das Alles sahen. Die Königstöchter aber wußten vor Freude nicht, was sie machen sollten, denn nun waren sie fest überzeugt, daß Iwan Zarewitsch in der Stadt sei, und bald erblickten sie ihn sogar im Fenster des goldenen Schlosses. Sie baten daher den Zaren und die Zarin, mit ihnen in das Schloß zu gehen, und als sie die Treppe des Schlosses betreten hatten, da kam ihnen Iwan Zarewitsch entgegen. Seine Mutter und die drei Königstöchter eilten auf ihn zu, umarmten ihn und sprachen: »Das ist unser Retter!« Seine Brüder schlugen beschämt die Augen nieder, und der Zar blickte alle starr und verwundert an; aber bald erklärte ihm seine Gemahlin, was dies Alles zu bedeuten habe. Da wurde der Zar so zornig auf seine ältesten Söhne, daß er sie sogleich wollte tödten lassen. Aber Iwan Zarewitsch fiel ihm zu Füßen und sprach: »Lieber Vater, wenn Ihr mich für meine Anstrengungen belohnen wollt, so schenkt meinen Brüdern das Leben, und ich werde zufrieden sein.« Da hob ihn der Vater auf, küßte ihn, und sprach: »Sie sind deiner in der That nicht werth.« Darauf gingen alle in ihr Schloß zurück.
Den folgenden Tag wurden drei Hochzeiten gefeiert. Der älteste Sohn Wasili Zarewitsch nahm die Königin von dem kupfernen Reiche, Fedor Zarewitsch, der mittelste, nahm die Königin von dem silbernen Reiche, und Iwan
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