Russische Volksmaerchen
erblickte endlich in der Ferne Zelte, und er ritt hin nach ihnen, und als er näher gekommen war, erkannte er, daß es seine Brüder waren. »Warum seid ihr in so öder Wüste liegen geblieben, meine Brüder?« sprach er zu ihnen, »laßt uns lieber reisen, und unsere Mutter aufsuchen.«
Die Brüder folgten seinem Rathe, und machten sich auf den Weg. Sie ritten lange Zeit, bis sie in der Ferne ein Schloß von Krystall erblickten, das von einem eben solchen Zaune umgeben war. Sie näherten sich dem Schlosse, und Iwan Zarewitsch öffnete die Pforte und ritt in den Hof. Als er zur Thürtreppe kam, sah er eine Säule, in welche zwei Ringe eingeschraubt waren. Der eine war von Gold, der andere von Silber. Er zog den Zügel durch beide Ringe und band sein Ritterroß an. Dann ging er auf die Treppe; da kam ihm der König selbst entgegen, und nach langer Besprechung erkannte der König, daß Iwan Zarewitsch sein Neffe sei. Da führte er ihn in sein Gemach und lud auch die Brüder dahin ein.
Als sie eine Zeit lang bei dem König zu Gaste gewesen waren, erhielten sie von ihm eine Zauberkugel, welche sie fortrollten, und der sie nachritten bis an einen hohen Berg, wo sie stehen blieben. Der Berg war so hoch und steil, daß man ihn nicht ersteigen konnte. Iwan Zarewitsch ging lange um den Berg herum, und fand endlich eine Spalte. Er schritt hinein und erblickte eine eiserne Thüre mit einem kupfernen Ringe, und als er sie geöffnet, fand er eiserne Klauen, um sie an Händen und Füßen zu befestigen und mit ihrer Hülfe auf den Gipfel des Berges zu klettern. Er war aber sehr ermüdet, als er die Höhe erreicht hatte, und setzte sich nieder, um auszuruhen, und sobald er die Klauen abgenommen, verschwanden sie plözlich. Da sah er in der Ferne auf dem Berge ein Zelt von feinem Batist, auf welchem ein kupfernes Reich dargestellt war, und auf dessen Spitze sich eine kupferne Kugel befand. Und er ging hin zu dem Zelte; bei dem Eingang lagen aber zwei große Löwen, welche Niemanden einließen in das Zelt. Iwan Zarewitsch sah zwei kupferne Becken bei ihnen stehen; er goß Wasser hinein und stillte damit den Durst der Löwen. Darauf ließen sie ihm freien Eingang in das Zelt. Als er in dasselbe eintrat, erblickte er auf dem Sofa eine schöne Königin, und zu ihren Füßen schlief ein dreiköpfiger Drache, welchem er mit einem Hiebe alle Köpfe abschlug. Die Königin dankte ihm dafür, und schenkte ihm ein kupfernes Ei, in welchem ein kupfernes Reich enthalten war. Darauf nahm der Zarewitsch Abschied von ihr und ging weiter, und nachdem er eine lange Zeit gegangen war, erblickte er ein Zelt aus feinem Flore, welches silberne Schnuren an Zederbäume befestigt hielten. An diesen Schnuren waren die Quasten von Smaragd, und aus dem Zelte war ein silbernes Reich dargestellt, und auf der Spitze des Zeltes befand sich eine silberne Kugel. Bei dem Eingange in dasselbe lagen zwei große Tiger, deren Durst er eben so stillte, damit sie ihm den Eingang frei machten. Als er in das Zelt trat, erblickte er auf dem Sofa eine schöne, sehr reich gekleidete Königin, welche die vorige an Schönheit weit übertraf. Zu ihren Füßen lag ein sechsköpfiger Drache, der noch ein Mal so groß war, als der vorige. Iwan Zarewitsch schlug ihm mit einem Hiebe alle Köpfe ab, und die Königin schenkte ihm für seine Unerschrockenheit ein silbernes Ei, in welchem ein silbernes Reich enthalten war. Darauf nahm er auch von dieser Königin Abschied und ging weiter. Endlich erreichte er ein drittes Zelt aus Seide, auf welchem ein goldenes Reich gestickt war, und auf dessen Spitze eine Kugel vom reinsten Golde stand. Es war mit goldenen Schnuren an Lorbeerbäume befestigt, und an die Schnuren waren Quasten von Diamanten angeknüpft. Vor dem Eingange lagen zwei große Krokodille, welche vor großer Hitze Flammen von sich spien. Der Zarewitsch tränkte sie und machte sich dadurch den Eingang in das Zelt frei, und erblickte auf einem Sofa eine Königin, welche an Schönheit die vorigen weit übertraf. Zu ihren Füßen lag ein zwölfköpfiger Drache, welchem Iwan Zarewitsch mit zwei Hieben alle Köpfe abschlug. Die Königin schenkte ihm dafür ein goldenes Ei, in welchem ein goldenes Reich enthalten war; und mit dem Eie schenkte sie ihm auch ihr Herz. Unter andern Gesprächen fragte sie Iwan Zarewitsch, ob sie nicht wisse, wo sich seine Mutter aufhalte. Sie zeigte ihm die Wohnung seiner Mutter und wünschte ihm, daß er sein Unternehmen glücklich ausführen
Weitere Kostenlose Bücher