Russische Volksmaerchen
Zarewitsch Malandrach zur Antwort: »Mein Herr Vater, Ibrahim Tuksalamowitsch, gestern las ich ein schwedisches Buch, und fand darin, daß es Leute gibt, welche verstehen, mit Flügeln in der Luft zu fliegen. So habe ich nun große Lust, diese Kunst zu erlernen, und deßhalb bitte ich Euch, mein Herr Vater, Lehrer zu verschreiben, welche mich in dieser Kunst unterrichten können.«
Ihm antwortete der Zar: »Ach du mein holdes Kind Malandrach Ibrahimowitsch, es ist unmöglich, daß die Menschen in der Luft fliegen, und du hast gewiß etwas Unsinniges oder ein Märchen gelesen. Daran muß man nicht glauben; dennoch will ich in einige Länder schicken, um über solche Leute Erkundigungen einzuziehen, und wenn man sie findet, so lasse ich sie hierher bringen, und dich in dieser Wissenschaft unterrichten.«
Da bei den Zaren nicht Bier gebraut, nicht Branntwein gebrannt wird, so schickte der Zar in verschiedene entfernte Reiche zugleich mit dem Befehle, Luftflieger zu holen, und wenn man sie fände, befahl er, sie zu ihm zu bringen. Und alle Boten fuhren aus in verschiedene Länder, und nach drei Jahren fanden sie einen solchen Meister in der Stadt Austripa, und brachten ihn zum Zaren Ibrahim Tuksalamowitsch, und sobald der Zarewitsch Malandrach ihn sah, wurde er außerordentlich froh. Zar Ibrahim fing an, diesen Meister zu fragen, ob er diese weise Kunst verstünde. Darauf gab ihm der Flieger zur Antwort: »Gnädiger Gebieter, zarische Majestät, obgleich ich selbst nicht wage, mich zu loben, so bin ich doch der erste Meister in diesem unserem Lande. Wenn Ihr beliebt, daß ich Euren Sohn, den Prinzen Malandrach, in der Luft fliegen lehre, so befehlet, ein großes hohes Zimmer zu erbauen und so einzurichten, daß es in der Länge zwei hundert Ellen, und eben so viel in der Breite, in der Höhe aber hundert Ellen mißt; dieses Zimmer muß ganz leer sein, und in ihm ein Kämmerchen angebracht werden, und dieses Zimmer muß eine Menge Fenster haben.«
Als der Zar diese Rede gehört hatte, befahl er auf der Stelle einen solchen Pallast zu erbauen. Sobald das Zimmer mit Allem fertig war machte der Luftflieger zwei Paar Flügel, die einen für sich, die andern für den Zarewitsch Malandrach, und er fing an, den Zarewitsch in diesem Gemache fliegen zu lehren, und band ihm die einen Flügel an, und sich die andern, und wenn er aufhörte zu lehren, legte er beide Flügelpaare in die Kammer und verschloß sie dort, den Schlüssel aber nahm er zu sich. Nach einiger Zeit aber begab's sich, als der Zarewitsch Unterricht gehabt, und der Meister die Flügel in die Kammer legte, und das Schloß fest zuschloß, daß der Zarewitsch dieß bemerkte, und, ohne seinem Lehrer etwas zu sagen, mit ihm zusammen zu seinem Vater ging.
Um diese Zeit wurde bei dem Zaren ein Gastmahl zubereitet, und die Menge der Gäste war groß. Da ging Malandrach, der Zarewitsch, fort, ohne Jemandem etwas zu sagen, in jenes große Gemach, nahm seine Flügel aus der Kammer, band sie sich fest an, ging aus dem Gemach heraus und fing an zu flattern. Dann flog er auf jenes hohe Gemach, setzte sich darauf und betrachtete, ein Wenig ausruhend, mit Lust von der Höhe das Reich seines Vaters. Darauf wünschte er, auf die Erde herabzusteigen; aber plözlich befiel ihn ein heftiges Grauen, er fürchtete sich, von einer so großen Höhe sich herabzulassen, und statt herabzufliegen, stieg er immer höher und höher, so daß ihm endlich die Erde wie ein Apfel erschien, denn er hatte sich sehr hoch erhoben, und zu derselben Zeit wehte ein sehr starker Wind, von welchem Malandrach Zarewitsch in eine unbekannte Gegend getragen wurde, und schon fing er an, die Kräfte zu verlieren, so daß er nicht mit den Flügeln lenken konnte, und schon fing er an, herabzufallen, da sah er unter sich das Meer und erschrak außerordentlich, und seine letzten Kräfte sammelnd, hob er sich wieder in die Höhe, und er blickte nach allen vier Seiten, und forschte, ob nicht irgendwo ein Ufer sei. Da bemerkte er in der Ferne eine kleine Insel; er flog nach dieser Gegend und ließ sich herab auf diese Insel, auf welcher er seine Flügel abband und unter die Arme nahm. Er fing an, auf dieser Insel herumzugehen und für sich irgend eine Nahrung zu suchen, denn er wurde von heftigem Hunger gequält, und fand einen Baum, auf welchem süße Früchte wuchsen, an denen er sich satt aß. Dann legte er sich schlafen auf das Gras unter einem laubigem Baum und schlief dort bis zum weißen Licht; aber am Morgen
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