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Russische Volksmaerchen

Russische Volksmaerchen

Titel: Russische Volksmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Dietrich
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stand er auf und wollte sich die Flügel anbinden, doch seine Arme schmerzten ihn so, daß er sie nicht rühren konnte. Deßhalb war er gezwungen, volle zehn Tage dort zu verweilen. Am elften Tage aber band er sich die Flügel an, segnete sich, hob sich wieder in die Höhe, sah nach allen vier Seiten und suchte mit den Blicken das Reich seines Vaters, doch er konnte es nicht erblicken, und gegen Abend sah er ein Ufer, und auf diesem Ufer war ein dichter Wald, und er ließ sich herab in diesen Wald, band die Flügel ab, und auf einem Wege fortgehend, gelangte er an eine Stadtpforte. Doch er ging nicht in die Stadt, sondern er versteckte vorher seine Flügel unter einem Busche, begab sich dann in die Stadt und fragte, wo der Markt sei. Als man ihm den Markt gezeigt hatte, ging er dorthin und kaufte sich einen langen Mantel. Dann kehrte er wieder in den Wald zurück, nahm seine Flügel unter die Arme und begab sich abermals in die Stadt, wo ihm ein Mensch begegnete, welchen er fragte: »Weißt du nicht, wo eine Wohnung zu vermieten« ist?« Der Unbekannte fragte ihn: »Du bist ohne Zweifel ein Fremder?« – »Wie du sagst,« gab der Zarewitsch Malandrach zur Antwort, »ich bin ein Kaufmann aus dem indischen Reiche und auf einem Schiffe mit Waaren gereist. Durch einen Sturm ist unser Fahrzeug an einem Felsen zerschellt worden, und ich wurde in dieses Reich auf einem Bret verschlagen, an welches ich mich fest angeklammert hatte.«
    »Mein Freund,« sagte der unbekannte Mann zu ihm, »wenn du Lust hast, so komme und wohne bei mir, ich werde dich halten wie meinen eigenen Sohn.« – Malandrach Zarewitsch stimmte mit Vergnügen ein und zog zu dem unbekannten Mann in das Haus. Und er lebte in seinem Hause länger als einen Monat, und ging nirgends hin aus dem Gehöfte.
    Und der Wirth fing an, ihn zu fragen: »Warum gehst du nicht spazieren in unserer Stadt und besiehst unsere herrlichen Gebäude und die alten Trümmern?« – Da begann Malandrach, der Zarensohn, seinen Wirth, welcher Achron hieß, zu bitten, daß er mit ihm spazieren ginge in der Stadt und ihm den fürstlichen Hof zeige. Der Wirth willfahrte ihm und ging mit ihm zusammen; und er ging in der Stadt bis zum Abend, und sie kamen wieder nach Hause und legten sich schlafen.
    Den andern Tag erwachte Malandrach Zarewitsch, stand auf vom Bette, kleidete sich an, wusch sich, betete zu Gott, verneigte sich nach allen vier Seiten und frühstückte. Als er gefrühstückt hatte, ging er allein spazieren in der Stadt und kam endlich hinter die Stadt, und sah ein sehr großes steinernes Gebäude, um welches eine hohe steinerne Mauer gezogen war, und er ging um diese Mauer und fand kein einziges Thor, sondern sah nur ein kleines Pförtchen, welches auf's Festeste verschloßen war. Prinz Malandrach wunderte sich sehr über dieses große Gebäude, ging nach Hause und fragte nach dem steinernen Gebäude seinen Wirth. Der Wirth antwortete ihm, es sei ein zarisches Gebäude, und in diesem Gebäude sitze die Tochter des Zaren, namens Salikalla; warum sie aber hineingesetzt worden, wisse er nicht.
    Als Malandrach Zarewitsch seine Rede gehört hatte, ging er den andern Tag wieder an dieses steinerne Gebäude, und nahm seine Flügel mit sich. Er kam an die steinerne Wand, erwartete den Abend, band sich dann die Flügel an, überflog die steinerne Wand und setzte sich auf einen Baum, denn hinter der Mauer war ein Garten. Auf dem Baume sitzend, sah er nach dem Fenster, an welchem die Zarewna Salikalla saß; sie saß sehr fern. Dann legte sie sich schlafen auf das Bette, und alles das sah Prinz Malandrach, und nach einer Stunde flog er durch das Fenster, welches unverschlossen war. Er ging zur Bettstelle der Zarewna und bemerkte, daß sie schlief, und er fing an, sie zu küssen und wollte sie aufwecken, doch wagte er nicht, dies zu thun. Und so betrachtete er aus der Ferne die Schönheit der reizenden Prinzeß Salikalla. Er verweilte dort fast bis Tagesanbruch, dann beeilte er sich, nach Hause zu gehen, denn er fürchtete, daß die Prinzeß erwachen möchte. Und so nahm er Abschied von der Prinzeß, und hinterließ ein Zeichen, damit die Prinzeß merken sollte, es sei Jemand bei ihr gewesen. Das Zeichen war folgendes: er legte ihre Schuhe zu ihr auf das Bette. Dann flog er aus dem Fenster, ging nach Hause und legte sich schlafen.
    Die Zarewna erwachte morgens und dachte, als sie ihre Schuhe auf dem Bette sah, der Knabe habe sie hingelegt, der bei ihr zur Bedienung war und im

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