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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Ghelfi
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stelle sich die Wachsfigur eines Neandertalers vor. Wuchtige, vorspringende Brauen über einer breiten, auffälligen Nase, und Lippen, die scheinbar von ihrem eigenen Gewicht nach unten gezogen werden und von zwei tiefen Furchen umklammert sind.
    »Von Geburt an Waise«, fährt er fort, ohne mich anzusehen. »Von einer Pflegefamilie zur anderen weitergereicht wie unliebsamer Abfall, für den vielleicht irgendjemand einmal Verwendung findet. Von vier Schulen verwiesen. Prügeleien, Diebstahl, Verkauf von Schmuggelware. Drei Jahre Staatsgefängnis.«
    Die eisigen Augen sehen mich an. Stocksteif stehe ich da, immer noch in Habachtstellung. Diese Prozedur ist Teil der Routine, wenn er der Meinung ist, jemanden zu lange nicht gesehen zu haben. Oder wenn er Zweifel bezüglich dessen Loyalität hegt.
    »Ein Minderjähriger in einem Gefängnis, in dem die schlimmsten Verbrecher des Landes sitzen«, sagt er. »Das wird kaum eine angenehme Erfahrung gewesen sein.«
    Der General kann besser zwischen den Zeilen lesen als die meisten, aber er hat es nicht selbst erlebt, deswegen weiß er nicht, wie schlimm, wie unerträglich es war. Ich bleibe starr stehen, mit festem Blick, während er sich wieder dem Dossier zuwendet.
    »Keine kriminellen Vergehen als Erwachsener. Zweifellos eher ein Beweis von Geschicklichkeit denn eine tatsächliche kritische Betrachtung späterer Aktivitäten. Wohnsitz unbekannt.« Er blättert weiter zur nächsten Seite und überfliegt sie nachdenklich. »Was für ein Leben, wenn man diesen Seiten glauben darf. Vieles davon natürlich erfunden. Aber nicht alles. Verbindungen zu Valja Novaskaja, Vadim Kiseljow und Nabi Souworow, die wiederum der Moskauer Polizei bestens bekannt sind.«
    Er stellt den Ordner auf den Tisch und schiebt ihn beiseite. Sein Stuhl quietscht, als er sich zurücklehnt und auf einen durchnässten Holzbalken an der klaustrophobisch niedrigen Decke starrt.
    »Anderes wiederum ist wahr«, sagt er mit sanfterer Stimme. »Fünf Jahre Militärservice, hauptsächlich in Tschetschenien. Wunderkind der Sondereinheiten. Als Scharfschütze ohnegleichen. Eine Handvoll Medaillen, die seinen Verdiensten nicht gerecht werden.«
    Er steht auf und geht um den Tisch herum, bis er vor mir steht und den Pistolenknauf an seinem Gürtel streichelt. Ich starre auf einen Punkt hinter seiner Schulter, was nicht schwer ist. Der General ist ein Zwerg von etwa eineinhalb Metern. Sein Aufstieg zur Macht in der Roten Armee war mindestens so erstaunlich, wie wenn ihm Flügel gewachsen wären und er Feuer speiend wie ein Drache um den Kreml geflogen wäre. Manche werden in die Macht hineingeboren. Manche erlangen sie durch Glück. Andere, wie der General, bahnen sich den Weg zu ihr allein durch die Kraft ihres Willens.
    Wir bleiben regungslos so stehen, während die Sekunden verrinnen.
    Und dann packt er mich plötzlich und umarmt mich so fest, dass es mir den Atem raubt, und er lacht, und ist, nun ja, bewegt. Und ich merke, dass auch ich es bin.
    Innerhalb der nächsten Stunde weihe ich den General in alles ein, was seit Maxims erstem Anruf passiert ist. Sein Gesichtsausdruck verhärtet sich, als er von Maxims neu entdecktem Interesse an Schwarzmarktkunst hört, aber ansonsten lässt er sich nicht anmerken, was er denkt. Er gießt sich ein Glas eisgekühlten Wodka ein, ohne mir davon anzubieten, und schreitet dann unruhig auf und ab, während er mich anhört. Als ich fertig bin, setzt er sich wieder in seinen Stuhl und wiegt das tropfende Glas in beiden Händen.
    »Ich kümmere mich um Gromows kleine Diamantengeschichte«, sagt er leicht abwesend - Gromows Plan, den Schah-Diamanten zu stehlen, ist ganz sicher nicht das, was ihn beschäftigt. Fast eine Minute vergeht, ohne dass ein Wort fällt.
    »Kann das wirklich wahr sein?«, fragt er endlich, fast flüsternd. Sein Blick geht ins Leere, als würde er mich gar nicht sehen. Ich bin nicht sicher, ob er wirklich eine Antwort will.
    »Die Faktura schien echt zu sein. Und Lipman glaubt, dass auch das Gemälde echt ist.«
    Er scheint mich nicht gehört zu haben. Eine weitere Minute vergeht. Auf einmal stürzt er den letzten Schluck Wodka hinunter, knallt das leere Glas auf den Schreibtisch und steht mit glänzenden Augen auf.
    »Ich will das Bild, Volk.«
    Bis eben saß ich auf einem harten Holzstuhl vor seinem Tisch, aber jetzt springe ich auf und nehme sofort wieder Haltung an. »Jawohl, General.«
    »Tu, was du tun musst, aber besorg es

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