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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Ghelfi
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entschlossen hinter Kamils zu großer Taucherbrille hervor, während wir mehrmals tief einatmen. Sie nickt. Wir tauchen unter und bahnen uns unseren Weg durch die Katakomben.
    Die ersten zehn Meter kommen wir zu langsam voran. Sie reicht mir das Mundstück und ich sauge gierig daran, ohne viel Sauerstoff zu bekommen, dann dränge ich sie weiter. Sie ist vor mir, ich kann ihr Gesicht nicht sehen, als die Luft in der Flasche zu Ende geht, aber ihre verzweifelten Tritte und das Brennen in meiner eigenen Lunge sagen mir, dass es so weit ist. Wie eine Wahnsinnige paddelt sie die Rampe hoch in Richtung der oberen Tunnel, bis sie plötzlich mit einem Ruck stehen bleibt. Ich kann in der Dunkelheit nicht viel sehen, nur dass sie wild mit den Armen rudert. Zu viele Sekunden stummer Schreie und scharrender Hände vergehen, bis ich merke, dass sie mit der Flasche an der Tunnelwand festhängt, und sie losreiße.
    Verzweifelt ringt sie um jeden Meter, aber ich weiß, dass der Kampf vergeblich ist. Ihre Bewegungen verlangsamen sich zu einem schwerfälligen Kraulen. Ich greife nach einer Schlaufe. Ziehe, reiße, zerre. Wir kommen viel zu langsam voran. Meine Lungen brennen wie Feuer. Die Unterwasserwelt wird kreidegrau. Als wir endlich aus dem Röhrenschacht kommen, ist Valja nur noch ein lebloser Körper.
    Ich strampele mit letzter Kraft. Noch fünfzehn Meter bis zu dem Handbreit Luft, das ich mir mit Kamil geteilt habe. Zu weit. Meine Lunge gleicht einem glühenden Brennofen.
    Ich strampele wie ein Wahnsinniger. Noch zehn Meter. Die Ränder meines Gesichtsfelds verdunkeln sich.
    Ich kann nichts mehr sehen. Ich schaffe es nicht. Verdammt noch mal, sei stark! Meine Füße zappeln hilflos. Die Dunkelheit weicht einem Wirbel von Farben. Das Wasser ist friedlich, ruhig, wie eine warme Umarmung …
    Letztes Jahr, an einem Tisch in Vadims Café, übersät mit Stapeln von Schnapsgläsern und leeren Wodkaflaschen, fragte Nabi sie, warum sie sich für Geld verkauft hat. Unsere kleine gesellige Runde verstummte. Ich packte den Hals einer Flasche Gzhelka und spielte mit dem Gedanken, Nabi ein Loch in den Schädel zu schlagen. Aber dann antwortete Valja ganz ruhig, »Weil ich essen musste.« Sie steckte sich eine gefüllte Olive in den Mund, lächelte ein strahlendes Lächeln und kaute. »Und ich wollte lieber mit Fremden vögeln als mit meinem Vater und seinen Brüdern.«
    Aus irgendeinem Grund läuft diese Szene immer wieder in meinem Kopf ab. Als es aufhört, wird mir bewusst, dass ich mit dem Gesicht nach oben treibe und unverständig auf den zerfurchten nassen Stein starre.
    Ich lebe noch.
    Ich drehe meinen Kopf zur Seite. Neben mir im Wasser ist Valja. Mit ihrem zurück geklatschten Haar und den großen Augen sieht sie aus wie eine Robbe.
    »Ich war mit Ziehen dran«, sagt sie.
     
    Wir schwimmen zu einem nahe gelegenen Anleger, wo das Rennboot auf uns wartet. Beobachten es eine Weile aus der Entfernung, um zu sehen, ob es bewacht wird, aber alles ist ruhig. Ich bin froh, dass wir Lipman und Arkadij nichts von dem Boot und dem Volga erzählt haben.
    Als die Luft rein zu sein scheint, klettern wir an Bord, werfen den Motor an und gluckern vorsichtig über den Moika-Kanal. Sie glaubt, die Sauerstoffflasche habe noch einen letzten Stoß alte Luft abgegeben, gerade genug für uns beide, um zu überleben. Ich glaube, sie will mich trösten, weil ich versagt habe.
    Das Wasser des Finnischen Meerbusens trägt uns zu einem Jachthafen in der Nähe des Kirow-Stadions. Ich verstecke mich, während Valja von einer Reihe zur anderen kriecht und den Volga holt, den wir für den Notfall dort abgestellt haben. Während der langen Fahrt nach Moskau fragt sie, ob es Maxim war, der uns verraten hat. Das ist eine gute Frage.
    »Ich glaube nicht«, sage ich. »Ich glaube, Lipman hat auf eigene Rechnung gearbeitet oder für jemand Dritten.«
    »Wer hat die Polizei auf der Newa alarmiert?«
    Noch eine gute Frage. »Ich weiß es nicht.«
    »Was wird Maxim also tun, wenn wir ohne das Bild zurück nach Moskau kommen?«
    »Im besten Fall bin ich ihm etwas schuldig.«
    »Und im schlimmsten?«
    »Im schlimmsten Fall sollten wir schon tot sein. Was bedeutet, dass ich ihn töten muss. Oder selbst dabei draufgehe.«

13
    Maxim ist außer sich, bei jedem Punkt stößt er seinen fleischigen Finger wie ein Artilleriegeschütz in die Luft. »Du lässt dir von zwei Schwuchteln die Gemälde abnehmen? Ich dachte, du bist ein scheiß verfluchter Killer. Was zum …« - er

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