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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Ghelfi
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mich lebend brauchst.«
    Seine rechte Hand streichelt abwesend über die versteckte Schlinge, und seine Lippen verschmälern sich zu einem fiesen Grinsen, von dem er glaubt, ich würde es nicht verstehen. »Wir sollten beide den Plan kennen. Das macht die Sache einfacher.«
    »Nein.«
    Die Zornesröte steigt ihm ins Gesicht und seine Ohren legen sich eng an den Kopf. Er stapft zu einem der Stapel, reißt das Wachstuch weg und bricht die darunter liegende Kiste auf, in der sich ein Gemälde aus dem vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhundert befindet. Ich weiß nicht, von wem es ist. Er zieht sein Messer und zerfetzt das Bild in Sekunden. Dann knackt er eine weitere Kiste und wiederholt sein kleines Schauspiel, wieder und wieder. Dabei starrt er mich an. Er kann es kaum erwarten, mich leiden zu sehen. Die sägende Klinge klingt wie ein Reißverschluss, der sich öffnet und schließt. Fünf Bilder später hat er genug und steckt sein Messer weg.
    »Entspann dich«, sagt er. »Dies ist nicht die Zeit und nicht der Ort. Tarik und ich, wir nehmen uns dich gemeinsam vor. Ein kleines Projekt, das sich über Tage hinziehen kann.« Jetzt ist es an ihm zu lächeln.
     
    Lipman kommt zurück, noch blasser und ausgezehrter, pünktlich aber ohne Essen. »Arkadij hat mir erzählt, was auf dem Fluss los war.« Sein vorwurfsvoller Blick haftet auf mir, während ich das Gemälde in die wasserdichte Schutzhülle packe. »Du hast gesagt, niemand würde sterben.«
    Nachdem ich die Schutzhülle über dem Bild verschlossen habe, überprüfe ich so sorgfältig wie es nur geht die Verschlüsse mit einem Druckmesser und dann mit den Augen und Fingern, denn Feuchtigkeit zerstört ein Gemälde so sicher wie Kamils Klinge. Als ich fertig bin, schultere ich das Paket und breche in Richtung Tür auf.
    Lipman versperrt mir den Weg. »Was sagst du dazu, Volk?«
    Er ist doch nicht wie Arkadij. Keine Spur mehr von der Weichheit, die ich erst in ihm zu sehen glaubte. Wenn Arkadij pelziger Samt ist, ist er trockenes Leder. »So etwas passiert, Lipman«, lasse ich ihn wissen.
    Ich dränge ihn beiseite und steige die steinerne Treppe hinauf, schnell genug, um Kamil auf sicherer Distanz zu halten. Oben angekommen schiebe ich meine kostbare Fracht vor mir durch die geöffnete Doppeltür in die Kammer. Lipman und Kamil sind hinter mir zurückgefallen, also lehne ich das Bild gegen die Wand und strecke mich. Erst jetzt sehe und rieche ich die frisch ausgegrabene Erde eines flachen Grabes umgeben von einer Reihe umgestellter Kisten.
    Die Sig landet unaufgefordert in meiner Hand. Ich sprinte los und nehme die erste Treppe in zwei Sätzen, wirble auf dem Absatz herum, reiße den Lauf hoch - und lasse ihn sofort wieder sinken. Anscheinend habe ich einiges verpasst.
    Sein eines Auge tritt hervor, von roten Rissen durchzogen. Sogar die Blutgefäße der Pupille sind aufgeplatzt. Das andere blickt scheinbar flehend zu mir auf. Er nimmt nichts mehr wahr, seine Gliedmaßen sind vollkommen nach hinten verdreht. Die Halsschlinge, die sich in das stoppelige Nackenfleisch gegraben hat, ist etwas einfacher als die an seinem Handgelenk. Sie besteht aus einem Stück Schnur und zwei Holzpflöcken, ist aber genauso effektiv.
    Ich sacke gegen die Wand und sehe Kamil ein letztes Mal krampfartig würgen. Ein Rest aufgestoßene Luft hallt wider, als Lipman die Schlinge lockert und den halbmondförmigen Körper auf die kalten, dreckigen Stufen sinken lässt.
    »Ich wollte eigentlich warten, bis wir weiter oben sind«, sagt Lipman, immer noch schwer atmend, »aber ich glaube, er hat etwas geahnt. Hilf mir, ihn hoch zu schleppen.«
    Natürlich hatte Kamil eine Vorahnung. Psychopathen wie Kamil sind immer misstrauisch. Er hat den drahtigen stellvertretenden Museumsdirektor einfach unterschätzt. Genau wie ich.
    »Nein«, sage ich zu ihm. »Das ist deine Leiche.«
    »Jetzt werd nicht pissig. Ich weiß ja nicht, was du mit ihm vorhattest, aber ich kann seinen Part auf jeden Fall übernehmen.«
    An den Füßen bekommt Lipman ihn besser zu fassen. Ich trete beiseite, damit er den Toten die Treppe hochzerren kann. Kamils Kopf schlägt auf den Stein und macht dabei ein knirschendes Geräusch, das von Stufe zu Stufe breiiger wird.
    »Warum?«, frage ich.
    Lipman sieht mich an wie einen Idioten. »Warum unnötig teilen?«
    »Wir brauchen seinen Boss, um es zu verkaufen.«
    » Du brauchst seinen Boss. Ich brauchte - ich brauche dich, um es hier rauszukriegen. Verkaufen kann ich es alleine. Ich

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