Russisches Abendmahl
Faust kaum sieht. »Du wirst hängen, vielleicht verbringst du aber auch nur den Rest deines Lebens in einem Arbeitslager und schlägst Steine und vögelst behaarte Ärsche.« Er grinst breit.
»Jemand hat mir meine Pistole geklaut.« Gromow klingt trotzig, obwohl ihm die Angst ins Gesicht geschrieben steht.
»Bevor oder nachdem du die Soldaten getötet hast? Verstehst du? Es macht keinen Unterschied, du Scheißpenner, denn wir haben die Waffe, und wir kriegen dich für den Waffenhändler dran.« Triumphierend hält Viktor Gromows 45er Peacemaker hoch.
»Wo haben Sie die Waffe her?«, frage ich Dubinin.
»Eine Nutte hat sie hier abgegeben, ob Sie es glauben oder nicht. Gestern. Sie sagt, sie hat sie hinter einem Müllcontainer gefunden in einer Seitenstraße unweit des Kreml. Ich frage mich, was sie wohl hinter einem Müllcontainer zu suchen hatte«, grinst er. »Wie auch immer, die Ballistik hat die Verbindung hergestellt, wir haben die Fingerabdrücke abgenommen, sind so auf Gromow gekommen und haben alles an ihn weitergegeben.« Er zeigt mit seinem Daumen in Richtung Verhörraum, wo Viktor Gromows Schienbeine mit dem Totschläger bearbeitet, wobei er die Kraft und die Abstände zwischen zwei Schlägen variiert. Es ehrt Gromow, dass er nur kurz aufschreit.
»Wie war ihr Name?«
Dubinin runzelt die Stirn. »Wessen Name?«
»Der von der Nutte.«
»Ich weiß nicht, Lilia irgendwas.«
Ich weiß vielleicht nicht in allen Einzelheiten, wie die Sache abgelaufen ist, aber im Wesentlichen dürfte ich richtig liegen. Lilia hat die Pistole gestohlen. Leonid hat damit die Soldaten erschossen und sie dann Lilia zurückgegeben, die sie zur Polizei brachte, um die Spur auf Gromow zu lenken. Das war das Etwas , das sie noch zu erledigen hatte. Ich muss sagen, dass Lilia eine bessere Frau - und Ehefrau - ist, als ich angenommen hatte.
Was natürlich alles noch nicht die Frage beantwortet, warum die Soldaten sterben mussten.
33
Die Sonne hängt tief über dem Horizont, als ich die Wache in der Kosigina Straße verlasse. Derselbe langsame Nieselregen, der seit Tagen anhält, fängt den Smog ein und legt ihn wie einen schlammigen Mantel über die Stadt. Ich werde selbst auf meine Gefangene aufpassen müssen, jetzt wo Nabi nicht mehr ist.
Ich sitze auf einer fehlzündenden Vespa und fahre durch den nebligen Regen zum National Hotel. Parke und schließe den Roller an einen Laternenpfahl an, neben dem verschmutztes Wasser durch den Rinnstein fließt. Ich weiß, dass die Vespa weg ist, wenn ich sie länger als ein paar Stunden unbeaufsichtigt lasse, aber das ist mir egal. Ich stehe unter einem Vordach und mustere die Passanten - Unschuldige und Übeltäter, die sich in einer brodelnden Suppe aus schwarzen Regenschirmen und dem muffigen Geruch von schmutzigem Regen vermischen.
Nicht wettergemäß gekleidete Touristen sehen auf die Türme des Kreml und in ihre mit Eselsohren versehenen Reiseführer. Einheimische laufen zielstrebig in dicken Regenjacken vorbei. Die Räuber sind auf Beutezug. Russlands Neokapitalisten, hungrig nach Moskaus Bedürftigen. Davonflitzende Taschendiebe. Durchtriebene Trickbetrüger. Gurrende HIV Nutten. »Komm schon, Kleiner«, und schon tauchst du deinen Schwanz ins Gift, und sie tötet dich langsam mit deinem eigenen Blut, oder sie nimmt dich mit in ein schäbiges Zimmer und ihr mit Anabolika aufgepumpter Freund schlägt dir für deine Brieftasche den Schädel ein. Nervöse Jungs, die mit Rattengift gestreckte weiße Steinchen in schmutzigen Plastiktütchen kneten. Armani-Anzugträger mit schmierigem Haar und noch schmierigeren Geschäften, die die Gier herumstreunender Abendländler nach billigen Arbeitskräften, unerschöpflichen Ölquellen oder endlosen Holzbeständen oder was auch immer der gerade angesagte Rohstoff ist, hemmungslos ausschlachten.
Die Dunkelheit bricht herein. Der Nieselregen nimmt ab und setzt dann zeitweilig ganz aus. An einer Imbissbude kaufe ich mir etwas zu essen, der Verkäufer schneidet Streifen von einer hinter Glas rotierenden Rinderhälfte ab. Ich muss an Valja denken, wie sie den Kopf in den Nacken wirft und sich die Stücke in den Mund baumeln lässt, weil sie weiß, dass ich darüber lachen kann. Aber diese Gedanken werden bald zur Qual, als ich mir vor Augen führe, in was für einem traurigen Zustand sie ist und dass der Weg dorthin schon vorbestimmt war, wie ich mir inzwischen sicher bin.
Pappalardo tänzelt aus dem National. Er trägt eine Lederhose, die er
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