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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Ghelfi
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wäre er längst weit weg.
    Ich rufe die Nummer seines Autotelefons an und beobachte ihn, wie er abnimmt.
    »H-h-hallo«, sagt er vorsichtig.
    »Ich bin’s«, sage ich.
    »W-w-was gibt’s?«
    »Ich hab was. Drogen, großes Geld. Für dich ganz allein. Eine fehlgeleitete Lieferung in einem Lagerhaus im Süden der Stadt. Du darfst niemandem etwas davon sagen.«
    »W-w-was soll ich tun?«
    »Wir treffen uns dort.« Ich gebe ihm eine Adresse und lege auf.
    Schweigend sehen wir zu, wie er eine Nummer in sein Handy tippt und ein paar Minuten lang mit jemandem redet, dann folgen wir ihm aus der Garage. Ich sitze am Steuer, eiskalt, und denke an eine Zeit, als die Dinge anders waren, aber in einem wichtigen Punkt doch ähnlich.
    Ich hatte mich im Schutt eines zerbombten Wohnhauses in Grosnys mörderischem Osten verkrochen. Schlammverkrustet. Auf der Jagd nach einem Tschetschenen mit einer rotbauchigen Schwarzen Witwe über der Halsschlagader tätowiert. Ich wartete bereits den dritten Tag, als eine Gruppe Rebellen vorbeizog und Tretminen auslegte. Fünf Männer, die ich durch den doppelten Vorteil meines Standorts und des Überraschungsmoments mühelos hätte töten können, aber meine Zielperson war nicht darunter, also behielt ich sie nur im Auge.
    Am nächsten Tag schlich ein russischer Spähtrupp durch die Gegend, tief gebückt umklammerten sie ihre neuen Maschinengewehre - schlecht ausgebildet, ohne Erfahrung und zu Recht verängstigt. Ich kam zu dem Schluss, dass ich sie unmöglich warnen konnte, ohne meine Tarnung aufzugeben, und war mir gleichzeitig der mangelnden Verantwortung bewusst, mit der ich meine gottähnliche Macht ausübte.
    Der Junge an der Spitze war mutiger als die anderen. Er sah jung aus, wahrscheinlich noch ein Teenager, aber drahtig wie ein Terrier und zäh wie ein Bauer. Er trat in eine Mine, flog in die Luft, trieb halb ohnmächtig durch die berstende Explosion und schlug dann schreiend neben seinem qualmenden Bein auf den Boden auf.
    Inmitten der Todesschreie des jungen Soldaten kam mir der Gedanke, dass jeder von uns seine ganz persönliche Tretmine hat. Vielleicht ist es das Eisen, aus dem mal die Stoßstange wird, die dir in einer stürmischen Nacht in einer kurvigen Straße den Schädel spaltet. Vielleicht eine böse Zelle, die noch nicht mutiert ist, oder ein Virus, der im Blut eines anderen heranwächst. Welche Form sie auch annimmt, irgendwo liegt sie und wartet auf uns.
    Zwei Tage später lieferte meine tschetschenische Zielperson den Beweis. Seine Tretmine kam in Form einer Kugel, die den roten Bauch seiner schwarzen Witwe wegriss, zusammen mit dem Rest seines Halses.
    Wir folgen Nabis Audi durch enge Straßen zu einem besetzten Bürogebäude. Dort begrüßt ihn einer von Maxims Handlangern. Vadim brummt mürrisch, als sich bestätigt, dass Nabi mit den Azeri unter einer Decke steckt. Die beiden reden eine Weile, bis zwei Männer, die ich nicht kenne, dazukommen, mit Nabi in den Audi steigen und wegfahren. Ich bleibe mit dem Mitsubishi zwanzig Wagenlängen hinter ihnen und denke, dass eine direkte Konfrontation besser wäre. Bei einem Verräter wie ihm ist mir ein klassischer Showdown lieber. Aber in diesem Fall muss es so aussehen, als hätte es irgendwer sein können, und deswegen muss es aus der Entfernung sein.
    Ein paar Kilometer weiter, auf einer verlassenen Straße zwischen Backsteinlagerhäusern, senke ich den Kopf. Ein Klicken sagt mir, dass Vadim den Knopf gedrückt hat, mit dem die Plastikbombe ausgelöst wird, die er am Abend zuvor unter dem Audi angebracht hat. Die Explosion jagt den Wagen in seinen Einzelteilen in die Luft. Selbst aus einer Entfernung von vierzig Metern rütteln die Druckwellen den Mitsubishi durch.
     
    »Was soll ich mit Lilia machen?«, fragt Vadim, als wir weiterfahren.
    Ich hatte sie vollkommen vergessen. Inzwischen hockt sie seit fast vierundzwanzig Stunden eingesperrt in einem Lagerraum unter Vadims Café. Es gibt niemanden mehr, den sie warnen könnte.
    »Lass sie gehen.«
    Vadim lässt mich beim Loft raus, wo ich den Rest des Tages und den größten Teil des darauffolgenden Tages bis auf ein paar kurze Unterbrechungen mit Schlafen verbringe, und Valja vermisse. Sie müsste in weniger als zwei Tagen zurück sein, sobald sie in der Lage ist zu reisen. Die Zeit schleicht dahin. Ich füttere Posnowa, wenn es mir gerade in den Sinn kommt, so wie man einen Hund füttert, der einem egal ist. Sie kniet vor ihrer Schüssel, die kaputten Hände an die

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